Karben. Die Trillerpfeifen und Tröten übertönen sogar den Straßenlärm: Mehr als 100 Erzieherinnen, Eltern und Kinder haben am Dienstag in der Vorwoche ihren Streik zu einer Demonstration im Stadtzentrum genutzt. Am vergangenen Dienstag streikten Erzieherinnen wieder in Bad Vilbeler Kitas. Die Erzieherinnen fordern mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen, die Eltern in Karben zeigten sich solidarisch – obwohl sie genervt sind von den vielen Streiktagen.
Nicht in ihrem Okarbener Kindergarten Im Niederfeld sitzen Nikola (6) und Anna (4) an diesem Morgen, sondern auf einer Bank auf dem Parkplatz in der Saint-Égrève-Straße. Dort haben sie Buntstifte und malen auf einem großen Bogen Papier. Um sie herum Trillergepfeife, Kaffeeduft, sich unterhaltende Erwachsene. Die Karbener Erzieherinnen sind laut Aufruf der Gewerkschaften Ver.di und GEW im Streik – den sie in einem Streik-Café im Stadtzentrum begehen.
„Da schauen Allein-Erziehende schon in die Röhre.“ Katrin Prochnio schüttelt mit dem Kopf. Die bereits zehn Streiktage bescheren manch einer Familie ernsthafte Probleme. Immer wieder muss die Betreuung der Kinder kurzfristig neu geregelt werden. „Dann müssen sich die Eltern frei nehmen oder für viel Geld Tagesmütter bezahlen“, erklärt Astrid Neugebauer. „Das ist nicht jedem möglich.“
Solche Probleme sind der Grund, warum die Mütter aus diversen Karbener Kitas an diesem Morgen in die Saint-Égrève-Straße gekommen sind. Sie wollen auf ihre Betreuungssorgen an jedem Streiktag aufmerksam machen – und die Erzieherinnen bei ihrem Streik für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen unterstützen. „Wenn es sich für uns verbessert, verbessert es sich auch für die Kinder“, sagt Christiane Peters, Personalrätin und Leiterin der Klein-Karbener Kita Wirbelwind. Seit 21 Jahren betreut sie Kinder in Karben. Sie erlebt, wie die Gruppen immer größer werden. „Mit bis zu 26 Kindern sind die Arbeitbedingungen verheerend“, berichtet sie. „Das sind äußerst heftige Tage.“
Auch die Arbeitszeiten würden immer länger, beklagt sich Christiane Peters. Die Erzieherinnen zahlen den Tribut, weil die Kommunen allerorten Ganztagsbetreuungen einführen. Die Flexibilität, um das erweiterte Angebot zu machen, werde von den Mitarbeiterinnen verlangt. „Wir machen hier richtigen Schichtdienst“, sagt Christiane Peters. „Bei anderen wird das anerkannt, aber bei uns ist das selbstverständlich.“
Deshalb, erklären die Mütter unisono, stünden sie hinter dem Streik der Erzieherinnen. „In den Einrichtungen gibt es doch viel zu wenig Personal“, erklärt Karin Prochnio.
Auf der anderen Seite haben auch die Erzieherinnen viel Verständnis für die Sorgen der Eltern durch den Streik. „Ich sehe schon, dass das schwierig ist“, sagt Helga Sy, Leiterin des Okarbener Kindergartens, Erzieherin in Karben seit 15 Jahren. Deshalb gebe es an jedem Streiktag auch einen Notdienst. Während fast alle der mehr als 60 Erzieherinnen streikten, kümmerten sich vier Kolleginnen in Klein-Karben um rund 25 Kinder. „Davon waren nur wenige echte Notfälle“, berichtet Helga Sy von einer entspannten Lage.
Bei Kaffee und Kuchen kommen Erzieherinnen, Eltern und Passanten schnell ins Gespräch. Auch mit Bürgermeister Roland Schulz (SPD) bei einem spontanen Protestzug ins nahe gelegene Karbener Rathaus. Der sagt seine Solidarität zu. „Wir wollen“, sagt Christiane Peters, „ernster genommen werden.“ (den)