Bad Vilbel. „Ich sehe den jüdischen Friedhof jeden Tag. Und es war mir eine Herzensangelegenheit, dazu beitragen zu können, dass dieser Ort mehr gewürdigt wird“, sagte Bernd Wrangelheim, der seit über 20 Jahren in direkter Nachbarschaft des Friedhofs am Gronauer Weg wohnt. Auf seine Initiative hin wurde eine Informationstafel aus Glas angefertigt, die Passanten und Besucher über die Geschichte des Friedhofs informiert.
In Gegenwart von rund 15 Bürgern brachte Stifter Wrangelheim jetzt gemeinsam mit Kulturamtsleiter Claus-Günther Kunzmann die Tafel am Friedhofseingang an. Bei einer Stadtführung sei ihm die Idee gekommen, auf diese Weise über den historischen Hintergrund zu informieren.
Auf der Tafel steht zu lesen, dass der Friedhof 1845 angelegt wurde und dass die Beerdigungen des Ehepaares Julius und Flora Grünebaum in 1936 und 1937 vermutlich die letzten waren.
Vered Zur-Panzer, Kulturdezernentin der jüdischen Gemeinde, wies darauf hin, dass der Friedhof nach jüdischen Ritualen nie offiziell geschlossen wurde und eine Beerdigung von jüdischen Vilbeler Bürgern nach Absprache mit dem Rabbiner daher immer noch möglich sei. Mit dem Anbringen der Tafel sowie einem Gottesdienst am Vormittag in der evangelischen Heilig-Geist-Kirche auf dem Heilsberg sind die Aktionen rund um die Verlegung von Stolpersteinen (wir berichteten) vorerst beendet.
Der Gottesdienst zu diesem Anlass stand unter dem Motto „Erinnern für die Zukunft“. „Wo ist Gott?“ habe ein Häftling im Vernichtungslager Auschwitz beim Anblick eines Kindes ausgerufen, das von SS-Angehörigen gehenkt worden war und dessen Todeskampf sich in die Länge zog. „Eine Stimme in mir antwortete: Er ist hier, er hängt dort am Galgen“, schrieb Elie Wiesel in seinen Erinnerungen an die Zeit in Auschwitz. Gemeinsam mit anderen Häftlingen war der spätere Friedensnobelpreisträger gezwungen worden, der Hinrichtung des Jungen und zweier Männer zuzusehen. Pfarrer Martin Stöhr und Gemeindemitglied Jutta Frost erinnerten in Predigten sowie mit Psalmen und Gebeten an den Zweiten Weltkrieg und die Nazi-Herrschaft. Die Predigt von Pfarrerin Irene Dannemann, die erkrankt war, wurde von Marie-Luise Stöhr vorgetragen. „Kinder brauchen die Liebe zum Leben und nicht die Bereitschaft zur Gewalt und zum Töten“. Dies schrieb ein jugoslawischer Soldat im Zweiten Weltkrieg in einem Brief an sein noch ungeborenes Kind. Wohl wissend, dass er bald sterben würde. Stöhr und Frost lasen aus Briefen vor, in denen Menschen persönliche Erlebnisse und Gedanken aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges notiert hatten. Zum Erinnern gehörten jedoch nicht nur das Grauen, sondern auch positive Zeichen von Menschlichkeit. Stöhr las aus dem Bericht einer Mutter, die mit anderen schlesischen Flüchtlingen die Heimat in Richtung Tschechoslowakei verlassen musste und auf der Flucht ihr Kind gebar. „Wir litten an Hunger“, das Kind sei bald bis aufs Skelett abgemagert gewesen. Auf dessen Gesundheitszustand aufmerksam geworden, habe ein russischer Militärarzt Vitamine verabreicht und veranlasst, dass Mutter und Kind mehr und bessere Nahrung erhielten. „Diesem Arzt verdanke ich das Leben meines Kindes“, schreibt die Mutter, deren Zeilen mit einem Appell an mehr Güte und Hilfsbereitschaft enden.