Per Zufall entdeckte der Petterweiler Bernd Schmidt (66) vor knapp sechs Jahren im Ruhestand sein Talent fürs Bogenschießen. Kurz darauf knackte er bereits die ersten Rekorde, und kürzlich holte er für seinen Gronauer Verein die WM-Silbermedaille in Australien. Dabei hat der Meeresbiologe seine berufliche und sportliche Karriere eigentlich dem Tauchen gewidmet – und dem Motorsport.
Karben. Bernd Schmidt ist ein freundlicher und zurückhaltender Mensch. Deswegen führt er den Gast auch nicht gleich ins Treppenhaus. Dort offenbart sich nämlich ein erschlagender Anblick: die ganze Wand voller Pokale aus dem Motorsport, Schmidt hat sie nicht gezählt. Das rasante Hobby konnte er mit Näherrücken des Ruhestands nicht mehr aktiv ausüben. Aber der Zufall sorgte für Ersatz. Es war vor etwa sechs Jahren bei einer Veteranen-Rallye, erinnert er sich.
Die Veranstalter hatten sich für Motorsportfreunde eine skurrile Sonderprüfung einfallen lassen: das Bogenschießen. Das klappte so gut, dass es zum nächsten Geburtstag einen Gutschein fürs Bogentraining beim SV Selzerbrunnen gab. Die Ausrüstung habe kaum 200 Euro gekostet.
Von da an ging es richtig los. Sein von mittelalterlichen Dingen begeisterter Sohn Fabian schenkte Schmidt einen klassischen Langbogen, mit dem er kurz darauf die Hessenmeisterschaft in seiner Altersklasse holte. Auf der 40-Meter-Distanz holte er 462 Ringe, 380 waren bisher der Rekord. 2011 trat er dem Deutschen Feldbogenverband bei, knackte den deutschen Rekord. Amüsiert erinnert sich Schmidt, wie er seine Gattin damals umgarnte: „Budapest im Frühling?“
Reisen und gewinnen
Die dortige Europameisterschaft war der Auftakt für eine Reihe internationaler Wettbewerbe, die das Ehepaar Schmidt jedoch nie bloß unter dem Aspekt der sportlichen Herausforderung betrachtete, sondern auch als willkommene Reiseempfehlung. So wie im Herbst 2011 bei der WM im südafrikanischen Pretoria oder jetzt im September, als es zu Weltmeisterschaft ins australische Wagga Wagga ging.
Schmidt holte sich in der Stadt etwa zwischen Sydney und Melbourne auf Höhe der Hauptstadt Canberra die Silbermedaille bei den World Field Archery Championships und erkundete mit seiner Frau danach drei Wochen lang Australien im Wohnmobil.
Was die Sache ziemlich kompliziert macht: Es gibt bei den Bogenschützen nicht nur einen Weltverband, sondern parallel operierende Organisationen, in denen Schmidt jeweils Mitglied ist. Weil der Selzerbrunnen zu sehr auf Kugelschießen eingerichtet war, wechselte Schmidt dieses Frühjahr zum BSC Gronau.
Robin-Hood-Schüsse
Neben den Pokalen hat Bernd Schmidt sich noch eine Besonderheit aufbewahrt: die „Robin-Hood-Schüsse“: das sind Pfeile, deren Schaft er mit einem zweiten Schuss so präzise traf, dass sie ineinander übergehen. Einmal erster, zweimal zweiter Platz bei Weltmeisterschaften, zweimal Deutscher Meister, zweimal Zweiter, dazu fünfmal Hessenmeister und sieben deutsche Rekorde hat Schmidt bilanziert. Aber um die Pokale geht es dem Petterweiler schon lange nicht mehr.
Das Bogenschießen, so sein ungewöhnlicher Vergleich, sei auch nichts anderes als Rennfahren: Auch da müsse man sich vor der nächsten Kurve auf einen Punkt konzentrieren, um die Linie zu halten. Und auch ein Pfeil kann 200 Stundenkilometer schnell fliegen. Zudem stellt er beruhigt fest: „Wenn man erkennt, dass man im Alter noch etwas richtig gut kann, dann tut das gut.“ Und Gattin Monika merkt an: „Er ist ein begnadeter Trainer, es macht ihm Spaß, etwas weiterzugeben. Denn auch der Bogensport habe für die Jugendlichen eine soziale Funktion.