Bad Vilbel. Gespannte Erwartung lag über den Sitzreihen der Burgfestspiele, die Vorstellung war komplett ausverkauft, ein wenig Fanfareneffekt vom musikalischen Begleiter »Herrn Stephan« erklang, und dann trat ein Schmaler im Pullunder auf die Bühne: »Ich bin der Mann, der Sie durch diesen Abend führen und durchs Leben begleiten wird«, und das Publikumsgeschrei »Olaf!« ließ die alte Wasserburg vibrieren.
Das Programm »Zeit für Rebellen« hatte Olaf Schubert mitgebracht, und wenn da im Publikum einer den Comedian als »Hungerhaken« bezeichnete, lag er eindeutig falsch – »Energiebündel« hätte besser gepasst. Schubert brachte ein Ideen-, Pointen-, Freche-Sprüche-Feuerwerk, das das Publikum bis zum letzten Moment in Atem hielt, einen Spontanapplaus nach dem anderen provozierte. Von Schuberts Heimatgefühl in Bad Vilbel war die Rede: »Hab in Dresden in der Bad Vilbeler Straße gewohnt. War keine besonders schöne Straße – so wie hier halt!« Zuspätkommer werden auf die Schippe genommen, ein Flugzeug erregt Kopfschütteln: »Wenn wir open air auftreten, ist der Luftraum eigentlich gesperrt.« Für das Publikum gibt es Verhaltenshilfen, eine rote Laterne auf der Bühne als Signal: »Wenn die leuchtet, könnt Ihr als Hessen Eure Kernkompetenz zeigen: Spontaneität.«
Schubert philosophiert über Rebellen: »Es gab sie seit Menschengedenken. Spartakus, die Jesuse, Galileo, Gandhi« und dazu den Sympathieträger der Riege: Robin Hood. Er klaute nur von Reichen und gab’s den Armen. Der Comedian: »Hätte er hier in der Geldmetropole Frankfurt mit Umland ein günstiges Betätigungsfeld?« Gleich kommt eine von Schuberts treffsicheren Frechheiten mit einem skeptischen Blick ringsum: »Normal treten wir in Theatern auf, nicht in solchen Verschlägen!«
Die Malediven
erobern
Kurz werden die Arbeitsstrukturen von der Sklaverei bis zum neoliberalen Turbokapitalismus und den Superreichen beleuchtet: »Ich hätte auch gern von meinen Eltern Schlösser und Fabriken geerbt, nicht nur Schönheit und Intelligenz«.
Und der Sozialismus in der ehemaligen DDR – war er wirklich für die Frauen das Beste? »Die wurden alle früh schwanger, bekamen ihr Baby auf Arbeit, ein Kollege ist unter die Hobelbank gekrabbelt und hat das Fötolat entnommen, und alle haben es geknuddelt – es war ja Volkseigentum.« Abstruse Sprachblüten sind ein Markenzeichen Schuberts, auch die realsozialistische Heimatvergangenheit wird zur Zielscheibe.
Und ein weiteres Markenzeichen: die mit schlenkrigen Bewegungen, großäugiger Pseudonaivität vorgetragenen Statements. Vom Unmut in der Bevölkerung spricht er, stellt dagegen das Privileg, mehr als 70 Jahre in einem Land ohne Krieg zu leben, aber: »Die Welt wird nur sicherer durch mehr Waffen!« Meisterlich beherrscht Schubert die Kunst, scheinbar überzeugt völligen Unsinn zu bringen. Je mehr er Gendergerechtigkeit (»Paketboten und Paketbotinas«) und politische Korrektheit zeigt, je mehr er sich in Wokeness ergeht, umso kribbeliger wird’s den Zuhörern – so ganz ernst gemeint ist das wohl nicht… und ab und zu brechen die gar nicht woken Ideen durch die Fassade: Väterchen Putin versteht er sowieso nicht, und wenn er Präsident wäre, würde er die Malediven erobern mit 40 knackigen Frauen, »40 Lusturseln« im Gefolge. Dann erklingt nach Hickhack mit dem Gitarristen Jochen Barkas, der beleidigt die Bühne zu verlassen droht, ein Loblied des Individualismus: »Nur auf dich kommt es an!« und wieder goldene Worte: «…egal wie dein Geschlecht ist – sei ein Mann!« Und wo bleiben die Hardcore-Vollblutmänner bei der Bundeswehr? Schubert: »Der Wehrwille des Teutonen ist in den letzten Jahren schwer im Schwund!«
Schnarrend ahmt er einen deutschen Politiker schlechtesten Angedenkens nach: »Ab jetzt wird zurückgeschossen – aber erst ab 11 Uhr.« Er lobt die rigiden Auswahlkriterien der Bundeswehr: »Rekruten dürfen nicht komplett rechtsradikal sein – ist bei Sachsen schwierig«, spricht dann mit Sorge von den Allergikern, den Laktoseintoleranten: »Der Feind geht einfach mit der Sprühsahne durch die Kaserne.«
Und noch ein Markenzeichen: Es gibt den Rap »Die Titten«; in schmelzend-kitschigem Schlagersound singt Schubert das Liebeslied von Mirko und Sabine und wie sie ihre kleinen Unterschiede zusammenbringen.
Allzu feinsinnige Menschen fühlen sich vielleicht bei Schubert-Programmen nicht so ganz aufgehoben. Im Bad Vilbeler Publikum waren sie wohl nicht vertreten. Von Elfriede Maresch
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