Viele Regale sind schon leer, die Ausstellungsflächen großteils ebenso. Am Samstagnachmittag schloss die Klein-Karbener Firma Trabandt ihre Türen für immer. Mit dem Spezialisten für Gartenmöbel, Sonnenschirme, Haushalt und Wohnen verschwindet das älteste Geschäft der Wetterau.
Karben. Auf der Kante des Holztisches sitzt Wilhelm Trabandt (62), die Beine lässt er herunterbaumeln. Sein Blick schweift durch den großen, weißen Raum in dem geräumigen Holzhaus. Nur wenige Gartentische und -stühle stehen hier noch, wo noch vor wenigen Wochen alles voll war. „Am Samstag ist alles leer.“, sagt er tags zuvor und nickt zufrieden. Er und seine Frau Sonja beenden eine außergewöhnliche Tradition: Die Klein-Karbener Firma gibt es seit 372 Jahren. Sie ist das älteste Geschäfte der Wetterau.
„Das fällt natürlich nicht leicht“, räumt Trabandt ein. Denn das Geschäft läuft bestens. Doch die beiden haben niemanden, der die Firma weiterführt. Ihr Sohn sei auf dem besten Weg, Doktor der Mathematik zu werden. „Dafür braucht er einen Schreibtisch, aber nicht das hier“, sagt Trabandt.
Konkurrenz wuchs
Leichter wurde das alltägliche Geschäft auch nicht. Der Kampf gegen übermächtige Konkurrenz prägte zuletzt Trabandts Arbeit. Seit 41 Jahren ist er im Einzelhandel tätig.
Den Familienbetrieb baute er zum Spezialisten für Gartenmöbel und Sonnenschirme um. Teakmöbel und solche im Kolonialstil ließ er von Handwerkern in Indonesien herstellen, zeichnete die Möbel persönlich passgenau auf Wunsch der Kunden. Trabandt: „Das hat viel Spaß gemacht.“ So fuhr die Kundschaft aus weitem Umkreis zu ihm.
Trotz der Spezialisierung wurde das Geschäft immer schwieriger. Trabandt hält sei Jahren gegen, setzt auf Qualität und Beratung. „Aber die Gesellschaft braucht den Fachhandel nicht mehr in dem Maß wie früher“, sagt er. „Der Fachhandel ist ein Dinosaurier, er stirbt aus.“ Früher habe der Einzelhandel die Bevölkerung versorgt, für sie Ware beschafft. „Die Beziehung dazu ist verloren gegangen.“ Das Internet sauge viel davon auf und es werde „lieber bei Ikea“ gekauft, erklärt der Firmenchef. „Das ist schon ein Kulturverlust.“
Kundin Elisabeth Elsermann (66) wartet schon einen Moment lang. „Ich habe da eine Reklamation“, spricht sie Trabandt an und holt eine Schachtel mit Silberlöffeln hervor. Sie holt einen heraus und zeigt, wie sich am Rand ein wenig Beschichtung ablöst. „Das darf nicht sein“, sagt Trabandt. Er kopiert die Rechnung, wird die Löffel an den Hersteller einsenden. Auch noch 13 Jahre nach dem Kauf.
„Genau wegen so etwas bin ich immer hierher gekommen“, sagt die Kundin. Die Gartenmöbel lockten sie anfangs her, zuletzt kaufte sie sämtliche Haushaltswaren bei Trabandt. „Wegen der großen, guten Auswahl, der kompetenten Bedienung, der besonderen Atmosphäre“, schwärmt Elisabeth Elsermann.
Traurig wirkt Wilhelm Trabandt nicht. Ein wenig wehmütig schon. Ein Gedicht von Hermann Hesse hat er über den Schreibtisch gehängt. „Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe / Bereit zum Abschied sein und Neubeginne“ heißt es darin. „Das kann ich auswendig“, sagt Trabandt, „und zwar schon lange.“
Erst zwei Monate ist der Entschluss her. „Ich habe mir die Freiheit genommen zu entscheiden.“ Auch schmeiße er ja nicht alles hin, will seine Immobilien verwalten, das sich darin weiterentwickelnde Geschäftszentrum lebendig halten.
Zu Elektroladen, Post, Apotheke und dem neuen Obstgeschäft soll Ende des Monats noch das Sanitätshaus Hähn einziehen. Auch einen Hörgeräteakustiker möchte Trabandt noch gewinnen. „Das ist alles auf eine Zielgruppe ausgerichtet.“ Mit dem Laden endet auch die Arbeit für sieben der zwölf Angestellte. „Die kriegen wir unter“, ist Trabandt optimistisch. Drei haben schon neue Jobs, zwei wollen aus Altersgründen nicht mehr arbeiten. Aber: „Diese Entscheidung“, räumt der Chef ein, „war die schwerste.“
Mit dem Sonntag starten die Trabandts nun in ihr neues Leben. Brasilien wollen er und seine Frau erkunden. (den)