Das Stadtparlament nimmt die vergleichende Prüfung zur Kinderbetreuung durch den Hessischen Landesrechnungshof mit einem einfachen Handheben zur Kenntnis. Doch birgt das 118-seitige Werk eine Menge Zündstoff. Und so kommt es in und nach der Sitzung zu einigen Kommentaren.
Bad Vilbel. Knapp 2,3 Millionen Euro können die Stadt Bad Vilbel und freie Träger einsparen, wenn sie alle Vorschläge der vergleichenden Prüfung des Landesrechnungshofes zur Kinderbetreuung befolgen. Doch wäre ein Teil dieser Vorschläge mit einschneidenden Veränderungen für die Finanzen der Eltern und die Qualität der Betreuung verbunden.
Mehr Personal als nötig, zu geringer Eigenanteil der Eltern. Derzeit decken Eltern den finanziellen Gesamtbedarf der Kinderbetreuung mit etwa 25 Prozent, 33 Prozent werden als angemessen erachtet. Darauf spitzt sich die Vergleichsrechnung mit anderen hessischen Kommunen zu. Und das, obwohl Bad Vilbel mit 204 Euro Zuschussbedarf pro Einwohner unter dem Vergleichsdurchschnitt von 213 Euro liegt. Auch seien in den Einrichtungen der Stadt und freier Träger 24 Vollzeitkräfte mehr angestellt als nach Mindeststandards notwendig.
Doch Sozialdezernentin Heike Freund-Hahn (FDP) sieht die Sache etwas anders: „Wir sind mit den Ergebnissen, die uns bescheinigt werden, zufrieden. Doch den Empfehlungen wollen wir nicht folgen.“ Zumal die neue Kita-Satzung, in der es um Gebührensätze gehen werde, in den kommenden Monaten auf der Tagesordnung stehe. Lob für ihre Arbeit erhält Freund-Hahn von FDP-Sprecher Jörg-Uwe Hahn: „Konsequent wurden in den vergangenen fünfeinhalb Jahren die Ziele umgesetzt, Kostenbelastungen niedrig, die Personalausstattung hoch zu halten. Und das trotz einer liberalen Dezernentin, der man nur wirtschaftliche Rechnungen zugetraut hätte“, verweist Hahn auf erzielte Erfolge.
„Unser eigenes Urteil – Bad Vilbel ist eine kinderfreundliche Stadt – wurde umfangreich bestätigt“, bekräftigt ihn CDU-Fraktionschefin Irene Utter. Die Stadt habe die niedrigsten Gebühren für die Vormittagsbetreuung von Kindern zwischen drei und sechs Jahren. Doch mahne der Rechnungshof zu Recht mehr Plätze in der Kindertagespflege an. Hier aber sei der Landkreis zuständig.
Marode Abteilung
Auch Utter stellt sich gegen den Beitrag von Eltern in Höhe von 33 Prozent der Gesamtkosten und eine Verringerung der Personalstärke. Hier gehe es nicht nur um wirtschaftliche Betrachtung, sondern um soziale Aspekte.
Freie-Wähler-Sprecher Raimo Biere geht von einer Verschleierungstaktik aus. Statt Minister-Erlässen werde den Kommunen nun durch den Landesrechnungshof ein Maßnahmenpaket zugestellt, um Kommunen zu Gebührenerhöhungen zu zwingen.
Angesichts der vorgeschlagenen Personaleinsparungen entstand bei Biere ein anderer Verdacht: „Ja, ich hatte das Gefühl, wir reden von einer maroden Abteilung eines stadteigenen überflüssigen Betriebes und nicht über Kinderbetreuung, die wir nach Vorgaben des Bundes und des Landes zu erfüllen haben.“ Maria Skorupski, Expertin der SPD in Sachen Kinderbetreuung, stellt klar, dass der Bericht nur die rein wirtschaftlichen Aspekte beleuchte. Das sei auch die Aufgabe des Landesrechnungshofes. Eine qualitative und fachliche Beurteilung hingegen nicht. Diese Fragen sollten in der Stadtpolitik aber im Vordergrund stehen.
Papierne Scheinwelt
Die Drittelfinanzierung Eltern/Land/Kommune sei lange überholt. So werde bei Kindern über drei Jahren eher eine Beteiligung der Eltern von 15 Prozent diskutiert. Auch zum Personal trifft Skorupski klare Aussagen: Die Mindeststandards seien das unterste Level, bei dem wohl eher von Verwahrung als von Betreuung auszugehen sei. Aussagen über einen pädagogisch sinnvollen Personalschlüssel ließen sich daraus nicht ablesen.
Grünen-Sprecherin Kathrin Anders sieht in dem Bericht einen wertvollen Beitrag dafür, offene Fragen der Stadtverordneten – wie zu den Kostenanteilen – klären zu können. Doch auch sie kann dem Fazit nicht folgen. „Er führt in eine papierne Scheinwelt, die wenig mit der realen Lebenswelt zu tun hat.“
Das Fazit des Berichts, Horte nach und nach abzubauen und Elternbeiträge stetig zu erhöhen, dürfe kein erklärtes Ziel für Bad Vilbel sein. „Ein Blick in den Alltag der Vilbeler Kinderbetreuung zeige: Immer wieder kommt es wegen Personalmangels in den Kitas teilweise zu Gruppenschließungen. Der reguläre Kita-Betrieb ist mitunter wegen Personalausfalls aufgrund von Krankheit, Fortbildung oder Urlaub oft genug gefährdet. Noch hinzu kommt, dass nicht alle Stellen des Stellenplans besetzt sind und deshalb eine Überversorgung nur auf dem Papier existiert.“
Ebenso wenig dürfe die Betreuung von Schülern in Horten abgebaut werden, appelliert die Grünen-Politikerin. Erst wenn Schulen echte Ganztagsangebote anböten und somit die Nachfrage nach Hortplätzen sinke, könne über eine Reduktion der Hortplätze nachgedacht werden.
In dem Prüfbericht werden wichtigste Kennzahlen der Kinderbetreuung in Bad Vilbel mit jenen von elf anderen hessischen Kommunen verglichen. Zu finden ist der Bericht auf der städtischen Webseite www.bad-vilbel.de unter den Reitern „Politik“, „Ratsinformationssystem“, „Sitzungen“.