Karben. »Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.« Diese oft zitierten Sätze sprach Martin Luther vor fast 500 Jahren. Damit blieb er standhaft in seinen Überzeugungen gegenüber der katholischen Kirche. Trotz Todesgefahr widerrief er seine Thesen nicht. Seine Worte klingen bis in die heutige Zeit nach. In Okarben haben im Reformationsgottesdienst Karbener gezeigt, wo sie standhaft bleiben.
Ein Fundament trägt. Das haben am Sonntag Pfarrerin Nadia Burgdorf und Pfarrer Eckart Dautenheimer von der evangelischen Gesamtkirchengemeinde deutlich gemacht. Anhand Luthers Bekenntnis zum Fundament des Glaubens. Dieses Fundament solle alle Menschen tragen, wünscht Dautenheimer. Oft genug müsse man im Alltag dafür gegen Windmühlen ankämpfen.
Auch heute stehen viele Leute in Karben für etwas ein und können nicht anders. Im Verlauf des Gottesdienstes wurde das deutlich. Vier Gruppen aus unterschiedlichen Lebensbereichen erklärten ihr Denken und Handeln: Hannah, Marlene und Niklas aus der neunten Jahrgangsstufe der Kurt-Schumacher-Schule, Andrea Wünsche stellvertretend für das Johanniter-Stift in Klein-Karben, Ulrike Loos von der Flüchtlingshilfe und Marc Kaiser für die Belegschaft von »Continental«.
Jugendliche fragen: Was ist gerecht?
Die drei Jugendlichen formulierten ihre Thesen zum Thema Gerechtigkeit. Schon im Schulalltag, zum Beispiel bei der Notengebung, gehe es nicht immer gerecht zu. Daraus ergeben sich für die Neuntklässler weitere Fragen: Ist das Leben gerecht? Was denken wohl die Menschen in Syrien und den USA darüber?
»Gerechtigkeit kann nur dort herrschen, wo alle Menschen die gleichen Chancen haben«, sagt Marlene. Und Hannah hat begriffen, dass es ein Glück und nicht selbstverständlich ist, im Wohlstand zu leben. »Nur wenn man sich selber gerecht verhält, kann man dies auch von anderen verlangen«, lautet ihr persönliches Plädoyer.
Ulrike Loos steht nicht allein für die Flüchtlingshilfe in Karben. Zum Höhepunkt 2015 sei sie mit mindestens 80 anderen Einwohnern aktiv geworden. Ihr Engagement richtete sich damals an die über 500 Flüchtlinge, die nach Karben kamen. »Jetzt leben hier noch etwa 200, von denen mehr als die Hälfte mittlerweile einem versicherungspflichtigen Job nachgeht«, erzählt sie. »Wir unterstützen sie bei Behördengängen und beim Ausfüllen wichtiger Formulare. Es gibt regelmäßige Treffen. Eine Fahrradwerkstatt in der Max-Planck-Straße wird von Flüchtlingen betrieben.« Es sei richtig und wichtig den Geflüchteten beizustehen.
Emotionale Botschaften hatten auch Andrea Wünsche und Marc Kaiser vorzutragen. Bei beiden geht es vor allem um Hoffnungen. Hoffnungen auf Respekt, Anerkennung, Solidarität und einen guten Ausgang.
Gedenken im Friedenswald fällt aus
»Die geplante Conti-Schließung am Standort Karben betrifft nicht nur die Belegschaft, sondern die ganze Region. Jahrelang haben die Beschäftigten für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze angespart und jetzt das. Das ist einfach perfide«, erklärt Kaiser. »Und wegen Corona können wir den Arbeitskampf noch nicht einmal auf die Straße bringen«, ärgert er sich. Noch immer hoffen er und seine Kollegen auf eine Zukunft für das Werk und ihre Arbeitsplätze.
Mehrere Dutzend Menschen lauschten den Aussagen dieser standhaften Karbener. Am Sonntag sind sie im Ritterhof in Okarben zusammengekommen, um einen besonderen Reformationsgottesdienst zu feiern. Unter einer Überdachung des ehemaligen Deutschordens-Gutes war für ausreichend Platz gesorgt worden. Gemeinsames Singen ist während der Pandemie tabu. Zu einer Psalm-Lesung wiederholte die Gemeinde sprechend eine Stelle aus dem Lied »Eine feste Burg ist unser Gott«. Ein Trio aus dem Ehepaar Frauke und Tillmann Frommhold sowie Sabine Wagner haben für die Gemeinde gesungen. Begleitet hat sie Robert Krebs am E-Piano.
Die pandemiebedingten Einschränkungen haben zur Folge, dass die geplante zentrale Veranstaltung zum Volkstrauertag am Sonntag, 15. November, im Friedenswald Klein-Karben ausfallen wird.