Irgendwo in einer Häuserschlucht mitten in Gießen stand ich. Es muss etwa 18 Uhr gewesen sein, an einem Freitag. Das lässt sich in gefühlte 23 Uhr an einem Montag umrechnen, je nachdem wie die bisherige Woche so war. Diese war nun eine gewesen, die man gerne auf einmaliges Erleben beschränken würde und so war ich froh mich auf den Weg nach Hause zu machen.
Nach Frankfurt ist es nun an sich nicht weit, aber im abendlichen Jammer-Modus der quengelnden Seele ist die Reise beschwerlicher als gewünscht. Fairerweise muss man auch sagen, in diesen Momenten ist ALLES beschwerlicher als gewünscht. Und das dann auch noch im Dunkeln. Und in der Kälte. Sie wissen, was ich meine…
Ich wühlte in meiner Tasche nach Autoschlüsseln. Ärgerte mich über die eingeschränkte Feinmotorik, weigerte mich aber auch gleichzeitig die dicken Handschuhe auszuziehen. Schließlich wurde ich fündig, startete den Wagen und der flimmernde Kasten vor mir an der Scheibe flackerte auf: „Wählen Sie das Ziel ihrer Reise.“ Glücklicherweise erspart einem die moderne Technik das umständliche Eingeben der Gesamtadresse auf dem Miniaturschirm, wenn man es einmal erledigt hat. Stattdessen bietet einem das Navigationsgerät dann ein einfaches: „Nach Hause“ an.
Fröhlich pulsierend strahlten mir die Buchstaben entgegen und ich seufzte. Ein stummes „Wenn das immer so einfach wäre!“ kam mir in den Sinn und ich dachte an all die Schicksale, die mir in der vergangenen Woche schon begegnet waren. Nichts „außergewöhnliches“ könnte man sagen. Die „übliche Härte des Lebens“ vielleicht?
Aber irgendwo in Gießen, im Dunkeln, in der Kälte, machte ich den Motor aus und unterhielt mich eine Weile mit Gott. Ich klagte, erzählte, rollte viel mit den Augen und lachte auch einmal. Auch darüber, wie erleichtert ich war, mich ein wenig daheim zu fühlen. Diese Momente mit Gott sind wertvoll. Und das liegt nicht daran, dass sie selten und schwer zu erreichen wären. Es liegt daran, dass wir uns im Wirrwarr unseres Alltags verlaufen und vergessen, daheim bei Gott aufzutanken. Mein inneres Navigationssystem verlegt leider oft seinen „Nach Hause“-Knopf. Vielleicht blinkt und piept der Rest aber auch nur so laut und frenetisch, dass ich ihn übersehe: „Das musst du noch vorbereiten!! – Den Anruf erledigen! – Beantworte deine E-mails! – Und die Wäsche stapelt sich auch!“. Es ist viel, was uns ablenkt, was die Sicht auf das Ziel versperrt – oder auch auf den Start. Aber der Knopf ist immer da: „Nach Hause“. Zu Gott. Und da führt er auch hin. Mit absoluter Präzision, auf dem kürzesten Weg und ohne Staus. Und die Fahrtkosten sind lange schon abgerechnet.
Patrick Smith, Vikar
Christuskirche Bad Vilbel