Es klang schon ein wenig befremdlich, dass Jugendliche in unserer Gemeinde am Ende dieses Monats November zu einem Kirchensilvester eingeladen wurden. Also, am 29.11. Silvester feiern – wie das?
Was viele nicht wissen: Ja doch, mit dem 1. Adventssonntag feiern wir in der westlichen Christenheit den Beginn eines neuen Kirchenjahres. Erwartungsvoll gehen wir auf ein Neues zu, alle Jahre wieder … kommt das Christuskind. Genau, darum geht es! Mit dem 1. Advent gehen wir auf Weihnachten zu, auf das große, schöne Ereignis, dass mit der Geburt Jesu die ultimative Zeitenwende eingeläutet ist: Gott kommt ganz menschlich zu uns, wird Fleisch, wie das Evangelium nach Johannes anstößig und irgendwie unvorstellbar schreibt.
Wozu das Ungeheuerliche? Die Antwort des Evangelisten: Um uns zum wahren Leben, zum wahren Menschsein zu verhelfen, das in der liebevollen Einheit mit Gott, dem Schöpfer und Vater aller besteht. Ob wir diese Hilfe brauchen? Ein nüchtern-realistischer Blick in das Leben des Einzelnen, von Gruppen und Nationen ist Antwort genug. Es geht doch überall drunter und drüber, Hass und Feindschaft, Egoismus und Krieg regiert die Welt, dass es einem im Blick auf die Zukunft nur schlecht werden kann.
Das Evangelium vom menschlichen Kommen Gottes in die Welt kehrt die nüchtern-realistische Bestandsaufnahme um: Die Wende zum Guten ist bereits eingetreten! Dafür steht Jesus, der Retter von Sünde und Tod, wie die alten Advents- und Weihnachtslieder begeistert dieses Ereignis besingen. Die Herausforderung „alle Jahre wieder“ wird auch dieses Jahr wieder sein: diese frohe, phantastische Botschaft für unsere Zeit und für mein Leben zu verstehen und ins konkrete Alltagsleben hinein zu übersetzen. Dann erst verbreitet sich der wohltuende Duft der Glaubensbotschaft, wie bei einer vorher in Plastikfolie eingeschlossenen Frucht. In einem andern Bild gesprochen: Ein bestimmtes Gewürz, wie z. B. eine Muskatnuss, muss gerieben werden, um ihr Aroma zu entfalten. Ähnlich ist es auch mit einem Kerzendocht, der mir nichts bringt, solange er nicht angezündet wird und die Kerze so erst zum Leuchten bringt.
Ich wünsche uns in dieser Adventszeit solche Erfahrungen, die Hinweise auf das wunderbar duftende und hell leuchtende Evangelium vom Anbruch des Neuen sind. Dann werden wir auch von innen her dem Weihnachtsfest viel abgewinnen können und unserem nüchternen Alltagsleben eine Perspektive der Freude schenken. Wie anders soll es denn zu der Erfahrung kommen, dass Gott die Ehre gegeben wird und Friede auf Erden kommt?
Matthias Gärtner, Pfarrer
Ev. Kirchengemeinde Dortelweil