Mit dem Projekttag „Menschenrechte“ geht das Georg-Büchner-Gymnasium vielfältige Wege. Altersgerecht setzen sich die Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Facetten der Gesellschaft auseinander. Dabei geht es auch um Extremismus. Doch der AfD ist das nicht umfassend genug.
Bad Vilbel. „Kein Kind darf geschlagen werden“, steht auf einem Luftballon, den die zwölfjährige Mia am 20. Juni vom Georg-Büchner-Gymnasium beim Projekttag „Menschenrechte“ in die Luft steigen ließ. „Unsere Schüler sollen später einmal nicht nur mitlaufen, sondern aktiv werden, um die Welt positiv zu verändern“, wünschen sich Silke Schellhaaß, Elly Eise und Michael Reißfelder, die Organisatoren des Tags. Dazu gehört für sie in den älteren Jahrgängen auch der Umgang mit Fremdenfeindlichkeit, Extremismus und Fundamentalismus.
So geht es darum, wie man couragiert handeln und sich gegen menschenverachtende Einstellungen und Neonazis zur Wehr setzen kann. Doch hier fehlt dem Wetterauer Kreisverband der AfD ein Segment. „Das klingt löblich, ist es aber nicht, sofern ausschließlich Gefahren für Demokratie und Rechtsstaat von ,Rechts’, aber nicht von ,Links’ dargestellt werden“, schreibt Kreissprecher Andreas Lichert an Schulleiterin Claudia Kamm.
Erinnern an Diktaturen
Lichert verweist auf sinkende Zahlen rechtsextremer Gewalttaten, während linksextreme Attacken zugenommen hätten. Er bezieht sich dabei auf den jüngsten Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 24. Juli. Lichert verweist darauf, dass ein gleicher politischer Abstand zu den Extremen keine „Geschmacksfrage, sondern dringendes Gebot verantwortungsbewussten Handelns“ sei. Es sei nicht dabei geblieben. So sei die NPD mit der AfD verglichen worden, mit der Einschränkung, „dass die AfD in den Medien besser rüberkommt“. Dies verletze das schulische Neutralitätsgebot.
Noch schlimmer empfindet Lichert, dass die Schüler „Nazi-Gedankengut“ erkennen und die Urheber an die Antifaschistische Bildungsinitiative melden sollten. „Es ist ein gut dokumentiertes Merkmal totalitärer Staaten wie der nationalsozialistischen und kommunistischen Diktatur in Deutschland, die ,Herrschaft über die Kinderbetten’ zu erlangen. Der Missbrauch Minderjähriger als ,Mikrofone’ knüpft unmittelbar an die schlimmsten Epochen unserer Geschichte an.“ Lichert stellt Fragen nach den Verantwortlichen und dem Konzept des Projekttages. Und er fragt: „Wie ist es möglich, dass Jugendliche in infamer Art und Weise zur Diffamierung motiviert und damit instrumentalisiert werden sollen?“
Rektorin Claudia Kamm legt in ihrer Antwort dar, dass der Tag von der Gesamtkonferenz organisiert worden sei. „Die Grundidee – das Hinführen der Schüler zur Kompetenz der Meinungsbildung, wie es die Bildungsstandards des Landes Hessen vorsehen – geschah dabei dem Alter angemessen in unterschiedlichen Workshops, die sich vor allem an den Interessen der Kinder orientierten.“ Kamm geht auf die unterschiedlichen Aufgabenstellungen ein, dabei auch auf das Thema Extremismus und Fundamentalismus. Bei Rollenspielen hätten der Umgang mit menschenverachtendem Verhalten und menschenverachtenden Grundeinstellungen im Mittelpunkt gestanden. So sei es um „Kirche und Nationalsozialismus, aber auch die Diskriminierungen Behinderter gegangen.
Keine Diffamierung
Schüler sollten so zur Rechtsstaatlichkeit erzogen werden. Dabei folge man dem anerkannten Beutelsbacher Konsens, der kontroverse Themen den Schülern auch so vermittele. „Die Breite des Aktionstages macht deutlich, dass Haltungen und Handlungen, die Menschenrechte einschränken oder missachten, sehr kontrovers diskutiert wurden. Einseitigkeit oder gar Indoktrination liegen auf der Grundlage des Beutelsbacher Konsenses und bei Betrachtung der Themenbreite des Aktionstages ebenso wenig vor wie Motivation zu Diffamierung und Instrumentalisierung unserer Schüler.“
Unterstützung erhält Kamm von allen im Bad Vilbeler Stadtparlament vertretenen Fraktionen. Diese nehmen gemeinsam Stellung: „Die Fraktionen begrüßen es ausdrücklich, dass sich bereits seit Jahren die Schüler des Georg-Büchner-Gymnasiums jeweils altersgerecht mit dem Thema Menschenrechte an einem Projekttag beschäftigen. CDU, SPD, Grüne, FDP und Freie Wähler sehen es als wichtige Aufgabe an, dass sich Kinder und Jugendliche mit der Situation der Menschenrechte weltweit, aber auch in ihrem Alltag, auseinandersetzen.“
Die Politiker betonen, dass es anerkanntes pädagogisches Konzept sei, die Schüler bei der Themenauswahl zu beteiligen. Wenn der Schülerwunsch bestehe, sich mit Rechtsextremismus zu beschäftigen, „so ist dies ein berechtigtes Anliegen, dass durch jüngste Vorkommnisse eher noch verstärkt wird. Eine Relativierung von extremistischen Umtrieben durch Verweis auf andere Formen des Extremismus ist nicht hilfreich.“
Und weiter: „Wir wenden uns gegen jede Form von Extremismus, egal ob er rechts, links, religiös, rassistisch oder völkisch motiviert ist. Die Aufklärung über den Extremismus und seine verheerenden Folgen ist ein wichtiger Bestandteil des Regelunterrichts. Wenn darüber hinaus bei einem Projekttag eine vertiefende Behandlung stattfindet, ist dies zu begrüßen.“
Das Melden und Anzeigen von extremistischen Umtrieben sei keine Denunziation, sondern demokratische Bürgerpflicht. Abschließend heißt es: „Wir danken den Lehrern für ihre Arbeit und wissen, wie wichtig es ist, dass den Jugendlichen die Prinzipien unserer Demokratie, aber auch die Gefährdungen der freiheitlichen Grundordnung vermittelt werden.“