Karben. Wie geht’s weiter für einen der größten Karbener Vereine, die Turngemeinde Groß-Karben? Ehrenamtliche, die sich im Vorstand engagieren möchten, werden dringend gesucht. Die Generation der 30- bis 40-Jährigen werde gebraucht. Findet sich niemand, steht eine andere Option im Raum: Ob sich der Verein hin zu einem mittelständischen Unternehmen entwickeln könnte.
Das Banner am Bürgerzentrum war lange Zeit nicht zu übersehen. Bald könnte es erneut aufgehängt werden. »Wir brauchen Dich! Im Vorstand wird es knapp« ist darauf in roten Buchstaben zu lesen. Die Worte lassen keinen Zweifel aufkommen: Es handelt sich um einen Hilferuf. Dass der ausgerechnet von der Turngemeinde, Groß-Karbens größtem Verein, stammt, sorgt im ersten Moment für etwas Verwunderung. Nicht so jedoch, wenn man in einem Gespräch mit den Verantwortlichen die Hintergründe der Plakat-Aktion erfährt.
Trotz in sich gefestigter Vereinsstrukturen, großer Reputation im Breiten- und Reha-Sport und jeder Menge Know-how des Vorstands steht die Turngemeinde am Scheideweg. Es fehlt an denjenigen, die das Ruder an sich reißen, wenn die Altgedienten irgendwann aus der ersten Reihe wegfallen. Auch oder gerade in einem bedeutenden Verein wie der TG Groß-Karben steht und fällt alles mit der Bereitschaft zum Ehrenamt. Und diese Bereitschaft ist im Moment nicht auszumachen. Bis zur nächsten Mitgliederversammlung in einem Jahr, das wird deutlich, muss sich an dieser Situation dringend etwas ändern.
Kaum Interesse an Hauptversammlung
Gewissermaßen einen Offenbarungseid musste der Vorstand in der vergangenen Woche erleben. Dabei hätte die äußere Szenerie an der Turnhalle am Park durchaus über die Realität hinwegtäuschen können. »Am Abend unserer Mitgliederversammlung war der Parkplatz voll mit Autos«, berichtet der stellvertretende TG-Vorsitzende Dieter Kaltwasser. »Da hätte man auch vermuten können, es ist so voll wegen unserer Versammlung.« Tatsächlich seien die Leute aber nicht deswegen gekommen, sondern wegen der zeitgleich stattfindenden Übungsstunden. Zur Versammlung hätten es weniger als 20 Mitglieder geschafft.
Die Sportangebote bei der TG Groß-Karben sind vielfältig: Turnen, Fitness, Volleyball, Badminton, Ringtennis, Leichtathletik. Dazukommt der Bereich Gesundheitssport mit mehreren Trainingsgruppen. Daran und an der Beteiligung der Sporttreibenden krankt der Verein nicht.
»Wir haben zurzeit 850 Mitglieder«, bilanziert Martin Menn, 1. Vorsitzender der TG Groß-Karben. »Außerdem besuchen rund 500 Menschen unsere Reha-Sportangebote. Auch in den verschiedenen Sparten suchen wir immer nach neuen Leuten. Was wir aber vor allem brauchen, sind welche für den Vorstand.« Die Mitgliederversammlung im nächsten Jahr wird dem Verein eine wie auch immer geartete Zäsur bringen. So viel steht jetzt schon fest. Denn: Nur Martin Menn will noch eine weitere Legislaturperiode im Vorstand dranhängen. Eine Person in der Vereinsführung wird aber natürlich nicht ausreichen, um das Ganze weiter auf Kurs zu halten. Ohne Vorstand stünde die TG dann wohl vor dem Aus.
Abrücken vom
Ehrenamt?
Um das abzuwenden, wäre Unterstützung aus der Gruppe der 30- bis 40-Jährigen gerne gesehen. »Aber vor allem die sind fürs Ehrenamt schwer zu kriegen«, weiß Natalja Grauberger, die das Kinderturnen leitet. »Das sind alles berufstätige Leute mit Kindern und Verpflichtungen. Da fehlt es an der nötigen Zeit. Eltern müssen sich überlegen, wo und wie sie sich engagieren.«
Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass man bei der TG Groß-Karben vom Ehrenamt ein Stück weit abrücken muss. Der Verein müsse zukünftig wie ein mittelständisches Unternehmen geführt werden. Allein die Mitgliederverwaltung mit Buchhaltung und Abrechnung könne man mit einem Vollzeit-Job vergleichen, berichten Menn und Kaltwasser. Deswegen habe der Vorstand die Einführung einer hauptamtlichen Geschäftsleitung ins Auge gefasst. Der zweite Teil des Konzepts baut auf eine stärkere Unterstützung durch die Stadt Karben.
Die Turngemeinde Groß-Karben muss finanziell für den Betrieb der vereinseigenen Halle am Park aufkommen. Um das Sportangebot weiter gewährleisten zu können, weicht der Verein schon jetzt auf eine andere Halle in Groß-Ostheim aus. Außerdem besteht eine Kooperation mit der Sportunion Nieder-Florstadt.
»Die Bereitschaft bei der Stadt ist da. Wir müssen über alle Möglichkeiten sprechen«, gibt Martin Menn als Ziel vor. Dafür bleibt noch ziemlich genau ein Jahr Zeit.
Von Jürgen Schenk