Bad Vilbel. Der hessische Kultusminister Jürgen Banzer (CDU) tourt derzeit durch Hessens Schulen. Dabei besuche er „nicht nur Vorzeigeschulen“. Ziel der Bildungsreise ist, wie er sagt: „Zu hören, was Sache ist“. Am Montag war die John-F.-Kennedy Schule (JFK) an der Reihe, nach Banzer „eine ganz normale, tüchtige Haupt- und Realschule.“
Der Minister zeigte sich zufrieden darüber, dass alle Hauptschüler hier die Schule mit einem Abschluss verlassen. Vier Stunden weilte er in der Schule, unterhielt sich mit Eltern, Schülern, Lehrern. Was liegt den Menschen am Herzen, gibt es Ängste, Fragen, Wünsche? Außerdem wolle er Verständnis für Vorgaben wecken, die vom Kultusministerium kommen.
Das Fazit: Die Probleme sind bekannt, aber sie könnten nicht von jetzt auf gleich gelöst werden. Alle zögen an einer Decke, die aber viel zu kurz sei, um alle zuzudecken, bringt Banzer die Fakten offen auf den Punkt. Er wisse, was er von den Kommunen fordere, aber er wolle kleinere Klassen, Ganztagsschule gerade für bildungsferne Schichten – Schule solle Lebensraum werden anstatt nur Lernraum zu sein. „Wir brauchen mehr Geld für Schule.“
Schulleiter Peter Mayböhm stimmte ihm nahtlos zu. Ähnlich wie Banzer zeigte er sich sehr überrascht, als in der Gesprächsrunde mit den Schülern herauskam, dass diese neben den Gymnasiasten ein Underdog-Gefühl entwickelten, sich wie Menschen zweiter Klasse fühlten. „Im täglichen Miteinander haben wir davon nichts gemerkt“, gestand Mayböhm. Die Frustration der Jugendlichen sei verständlich und spiegele die aktuelle Lage wider, so Banzer. „Nur zehn Prozent der Betriebe sind offen, Hauptschüler einzustellen.“ Das müsse sich ändern. Dann hätten die Jugendlichen dauerhaft die Motivation, ihren Abschluss zu machen. Man müsse sich zwar von der Meinung verabschieden, dass das Abitur das Maß aller Dinge sei, aber ohne einen Abschluss habe man in „unserer Zertifikatgesellschaft miserable Chancen“, so Banzer. Und: „Kein Daxunternehmen kann ohne Hauptschüler auskommen, auf einen Akademiker könnten sie viel leichter verzichten“. Das müsse in die Köpfe der Menschen, auch der Schüler.
Die Zwei-Klassen-Theorie vertritt auch Elternbeirat Frank Dietzel. Die Elternschaft habe das Gefühl, die Haupt- und Realschule „bekomme immer nur dann was, wenn vom Gymnasium was übrig bleibt“. Man habe im Gespräch mit dem Kultusminister Wünsche und Anregungen vorgebracht: Es habe großen Unmut darüber gegeben, „dass am Gymnasium alles geht.“ Am Gymnasium seien acht neue Räume gebaut worden, um kleinere Klassen bilden zu können. An der JFK säßen 30 Kinder in einem Raum. „Da sind doch Prioritäten falsch gesetzt“, echauffiert sich Dietzel. Auch die ständigen Zuzahlungen „für die kleinen Dinge des Alltags“, wie Banzer sie nennt, habe er direkt angesprochen. Pro Kind und Schuljahresbeginn kämen für Hefte, Zusatzhefte, CD und anderes Lernmaterial circa 200 Euro zusammen. „Und eine Woche später steht das Kind da und sagt, es braucht zehn Euro für Kopien.“ Wenn die geplanten 35 Euro pro Kopf für Lernmittel nicht ausreichten, „dann muss man das erhöhen.“