Karben. Weiße Zelte auf grünem Rasen, ritterliche Banner flattern im Wind – und von Feuerstellen steigt Rauch auf. Früh am Morgen geht es noch beschaulich zu im Feldlager der „Freien Ritterschaft von Friedberg“ , doch später klirren Waffen vor der historischen Oberburg in Burg-Gräfenrode. Ritter stehen sich mit Schwert und Schild gegenüber, und nach hitzigen Wortgefechten sprechen die Waffen. Respektvoll weichen die Zuschauer einen Schritt zurück, denn wer möchte schon einem Schwert zu Nahe kommen.
Wer am Wochenende zum Lieselfest nach Burg-Gräfenrode gekommen war, erlebte eine farbenprächtige mittelalterliche Feier vor historischer Kulisse. Romantisch am Freitagabend, als das Lagerfeuer im Burggarten brannte und die Ritter ihre Geschichten erzählten. Beschaulich am Samstagmorgen, als das Leben im Feldlager erwachte, und betriebsam vom Nachmittag bis zum späten Abend, als die Besucher die Marktstände mit „Tand und Köstlichkeiten“ belagerten, Ritter sich im Zweikampf gegenüberstanden und der Barde Michael zur Laute griff.
Zum zweiten Mal hatte der Heimat- und Kulturverein das Lieselfest ausgerichtet, das an die gutherzige Edelfrau aus dem Geschlecht der Ritter von Karben erinnert. Entstanden ist die Idee 2005 anlässlich der 600-Jahr-Feier von Burg-Gräfenrode. „Wir haben mit unserer Oberburg und dem Lieselturm ein einzigartiges Gelände, das mit solchen Festen belebt werden kann“, sagte Adalbert Emmert vom Heimat- und Kulturverein. Das Lieselfest sei identitätsstiftend, fördere die Verbundenheit mit dem Dorf und den Gemeinsinn. Zusammen mit der Vorsitzenden Ulla Becker verkaufte er für einen Silberling (1 Euro) die Lieseltaler, die als Eintritt in den Burggarten galten. Keck saß ihm der Filzhut auf dem Kopf, denn wie viele Vereinsmitglieder und Besucher war er mittelalterlich gewandet und trug so zum besonderen Flair des Lieselfestes bei. Alle Blicke auf sich zogen die Ritter, Knappen und Edelfrauen der „Freien Ritterschaft von Friedberg“. Sie waren wie im Vorjahr mit Zelten, Reisekörben, Falteimern, Wikingerstühlen und Steckbetten angereist, kurzum den kompletten Hausstand eines ritterlichen Edelmannes samt Knappen, Lanzenträgern, Hausdame und Mägden. Der „Earl of Carmathen“ (Mark Marthen) hielt im Gemeinschaftszelt Hof. Freiherr Xaver von Mangern (Ralf Manger) bahnte sich mit klirrender Rüstung seinen Weg, und „Kellerin“ Katharina die Rote (Gittchen Schwab) kümmerte sich um das leibliche Wohl der Ritter, wie es ihre Pflicht als Hausdame war. Die Gardeschützen Pierre d’Arc und Paul d’Alencon spannten ihre Langbögen und schickten treffsicher ihre eisenbewehrten Pfeile ins Ziel.
So viel Mittelalter steckt an, und Jörn Ziesmann aus Karben sagte nicht ohne Neid: „Ich hätte auch gerne so ein mittelalterliches Kostüm.“ Bei dem Wort „Kostüm“ hätte einer der Ritter sicherlich abfällig gesprochen über so viel Ignoranz. „Gaukler, das wäre es doch, Jonglieren kann ich schon“, sagt der Vater und schaukelt seine Tochter im Körbchen, während die Ehefrau den Filius mit Suppe füttert. Sie würde gerne das Schwert eines Ritters tragen, eine Idee, die Jana Sachse (11 Jahre) aus Okarben schon in die Tat umgesetzt hat. Fasziniert schaut Jana zu, wie Muldenhauer Jörg Kötter einen Holzteller herstellt, während von drüben das Hämmern eines Schmiedes erklingt und Barde Michael das Lied von „Geyers wildem Haufen“ anstimmt.