Karben. Es gibt viele Immobilien, die in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg saniert und ausgebaut worden sind. Selbstverständlich nach den damals bekannten Standards. Mit Klimafreundlichkeit hatten diese baulichen Veränderungen im Detail noch nichts zu tun. Für die Zukunft soll sich das in Karben ändern.
Gemeinsam mit der LEA (LandesEnergieAgentur) Hessen hat die Stadt Karben vor einigen Wochen eine Kampagne ins Leben gerufen. Alle Karbener Hausbesitzer haben die Möglichkeit, einen unverbindlichen Klima-Check in ihren Häusern vornehmen zu lassen. Dafür kommen Beauftragte der LEA zur Bestandsaufnahme vorbei. Anfang Mai war das Konzept vom städtischen Klimaschutzmanager Julian Wunnenberg und Spezialisten der Energieberatung im Bürgerzentrum vorgestellt worden (diese Zeitung berichtete).
Große Nachfrage
zur Beratung
Unter die zahlreichen Gäste der Auftaktveranstaltung hatte sich auch Ulrike Loos gemischt. Am Ende des Abends stand für die Hauseigentümerin fest, dass sie das städtische Erstberatungsangebot annehmen würde. Offensichtlich haben viele Karbener dieselbe Entscheidung getroffen, wie sich in der Folge zeigen sollte. Denn bis zu ihrem Termin musste sich die Klein-Karbenerin einige Wochen gedulden.
»Die Karbener Energiekampagne ist bereits ausgebucht. Wir mussten die Anmeldung stoppen«, teilte Julian Wunnenberg schon Ende Mai mit. Wirklich überrascht hat das große Interesse eigentlich nicht. Eine zweite Runde mit individuellen Beratungsgesprächen ist dem Vernehmen nach wohl schon in Aussicht.
Das Haus von Ulrike Loos in Klein-Karben weist grundsätzlich schon einige Eigenschaften auf, die energieeffizientes Wohnen ausmachen: Fassadenbegrünung, Photovoltaikanlage, zweifache Fensterverglasung. Trotzdem gibt es noch Stellschrauben, an denen gedreht werden könnte. Nach ihnen sucht Verena Kunad. Die Architektin aus Groß-Karben ist als Energieberaterin im Auftrag von Stadt und LEA Hessen unterwegs.
Im ersten Durchgang prüft sie 25 Häuser in Karben auf etwaige Verbesserungsmöglichkeiten. Dafür hält sie sich an eine Liste, die von der Stadt erarbeitet wurde. Besonderes Augenmerk legt die Expertin auf die vorhandene oder nicht vorhandene Dämmung von Dach, Kellerdecke, Fassadenwänden und Türen. Weniger vordergründig erscheint überraschenderweise die Heizungsanlage sowie deren mögliche Optimierung. In die Bewertung fließt sie aber natürlich mit ein.
Zunächst unternimmt Verena Kunad zusammen mit Besitzerin Ulrike Loos eine Hausbesichtigung. Beginnend im Keller bis hinauf zum Dachgeschoss werden die wichtigsten Räume auf ihre Struktur überprüft. Es muss geklärt werden, ob in der Vergangenheit schon einmal etwas neu gemacht wurde. Bei dem Haus in Klein-Karben, Baujahr 1954, ist dies der Fall.
Das Dach sei teils noch im Original von vor 70 Jahren, teils von 1992, berichtet Loos. »1992 hat das Haus auch einen Anbau bekommen. Im vergangenen Jahr ist eine Fensterfront erneuert worden«, zählt sie auf. Für Kunad, die seit 40 Jahren Gebäude saniert, kommt es auf jedes Detail an. Nach den Vorgaben erstellt sie anschließend einen individuellen Sanierungsfahrplan (ISFP), in dem Umfang und Optionen zur Finanzierung berücksichtigt werden.
»Besonders relevant ist die Dämmung der oberen Geschossdecke«, weiß die Expertin. »Als Dämmstoff sollte beispielsweise Zellulose verwendet werden. Damit wird die meiste Wärme gespeichert, denn das wirkt wie eine Daunendecke. Und Zellulose ist schon bei der Herstellung weniger energieaufwändig als nicht-ökologische Dämmstoffe.«
Mit bis zu 20 Prozent Zuschuss aus staatlichen Finanzmitteln können Veränderungswillige planen, wenn sie in das Konzept einwilligen. Fördergelder stellen das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und die KfW-Bank zur Verfügung. Die Einzelmaßnahmen müssen nicht zwingend am Stück durchgeführt werden. Eine Bedingung gibt es jedoch: Die komplette Abwicklung muss nach 15 Jahren erledigt sein. Von Jürgen Schenk