„Du bist schön“, so hat mich letzte Woche jemand herzlich begrüßt. Darauf war ich nicht gefasst und das bin ich nicht gewöhnt zu hören – zumindest nicht in so einem Zusammenhang. „Du bist schön“, sagen oder hören wir eigentlich nur von sehr wenigen Menschen, die uns ganz nahe stehen. So ein Lob kann fast peinlich sein und sich selbst kann man doch nicht als schön bezeichnen, oder? Warum eigentlich nicht?
„Du bist schön! 7 Wochen ohne Runtermachen“, lautet das Motto der diesjährigen Fastenaktion der Evangelischen Kirche Deutschland. In den 7 Wochen der Passionszeit lädt die Evangelische Kirche seit vielen Jahren ein, bewusst auf etwas zu verzichten. Meist denkt man dabei an Alkohol, Fleisch oder Schokolade. Diesmal sind wir eingeladen, auf das „Runtermachen“ zu verzichten. Als praktische Übung kann man seinem Spiegelbild oder einem anderen Menschen aus ganzem Herzen sagen: „Du bist schön.“ Ich war jedenfalls genauso überrascht wie gerührt. Danach habe ich darüber nachgedacht, was ich eigentlich schön finde.
Unsere inneren Bilder von Schönheit sind leider oft verengt, so dass man viel Schönheit gar nicht wahrnimmt. Ein herzliches Lachen ist doch genauso schön, wie ein hilfsbereiter Mensch, großer Humor, schöne Haare oder ein gütiges und ganz runzeliges Gesicht. Wenn ich mich auf die Suche mache, entdecke ich sehr viel Schönheit. Es wäre doch schade, wenn wir nur einem einzigen Bild von Schönheit nachstreben. Das stellt in der Regel nicht zufrieden und wir übersehen alles andere.
„Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an“, weiß die Bibel (1. Samuel 16,7). Aber auch unser Herz sieht sehr gut: „Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet“ (Christian Morgenstern). Diesen Blick können wir nun 7 Wochen lang üben, für die Schönheiten jenseits der Norm.
Pfarrerin Ulrike Mey,
Ev. Christuskirchengemeinde
Bad Vilbel