Nidderau. Hart trifft die Entscheidung von Magistrat und Bürgermeister Gerhard Schultheiß (SPD) den Traditionsverein MSE Eichen (Modellsegel- und Elektroflug). Die Stadtregierung bleibt konsequent und spricht mehrmals die Kündigung eines Pachtvertrages aus – ohne auf die Bitten des Vorsitzenden Peter Brandts um ein persönliches Gespräch einzugehen. Nach dem 31. März 2010 dürfen die Hobby-Flieger ihre Modellflugzeuge nicht mehr auf dem Areal an der B521 zwischen Eichen und Höchst in die Lüfte steigen lassen. Besonders ärgerlich für den Ehrenamtlichen: Der Zwist unter ehemaligen Fliegerfreunden, weil aus dem sachlichen Disput persönliche Angriffe wurden bis hin zu Anzeigen bei der Polizei Hanau und zum Versuch, ein Ermittlungsverfahren beim Regierungspräsidium in Darmstadt zu erwirken.
Seit fast 30 Jahren lassen die Mitglieder ihre Modellfluggeräte in Nidderau fliegen – „ohne den geringsten Vorfall“, betont Vorsitzender Brandt. Vor etwa 15 Jahren habe der Verein seinen Flugplatz verlegen müssen, weil das Schutzgebiet Auenlandschaft eingerichtet wurde. Dort aber war das Flugfeld gelegen. Im Einvernehmen mit Bürgermeister Betz wurde der alternative Standort an der B521 gefunden, ein Pachtvertrag zwischen Verein und Stadt geschlossen. Seitdem kümmern sich die Mitglieder um die Pflege der selbst angelegten Wiese, haben einen Geräteschuppen gebaut, begrüßen an warmen Tagen viele Ausflügler als Zuschauer.
Was zu der mehrfach ausgesprochenen Kündigung geführt hat, nimmt laut Brandt im Sommer 2008 seinen Anfang. Vogelschützer Horst Kurz meldet sich bei Brandt, „weil ich den Herrn Brandt schon lange kenne“. Er, Kurz, habe eine Beschwerde erhalten, wonach die Flieger mit ihren Flugzeugen über das Storchennest kreisen würden. Brandt startet gleich eine Befragung unter den aktiven Mitgliedern, mit dem Ergebnis: Der Vorwurf treffe nicht zu. Zeitgleich bringe das Vorstandsmitglied Mathias Dörr die Verlegung des Platzes ins Spiel, der, zunächst mit Zustimmung des Vorsitzenden, Gespräche mit der Stadt führte – zwecks Suche nach einem alternativen Flugplatz, schildert Brandt die Ereignisse.
Kurz danach flattert, für den Vorsitzenden Brandt aus heiterem Himmel, die Kündigung des Pachtvertrages seitens der Stadt ins Haus. Die Stadt begründet ihren Schritt mit dem Schutz der Radfahrer auf dem geplanten Bahnradweg sowie mit dem Schutz der Auenlandschaft. Von dieser Entwicklung bestürzt, „habe ich dem Mathias Dörr jegliche Verhandlungen mit der Stadt für den Verein untersagt“, erzählt Brandt.
„Wir haben seitens der HGON (Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz) schriftlich Beschwerden erhalten, wonach durch die Modellflieger mehrmalige Störungen des Brutgeschäftes beobachtet wurden“, erklärt Bürgermeister Gerhard Schultheiß im Gespräch mit dem Bad Vilbeler Anzeiger. Die HGON habe die Stadt aufgefordert, den Störfaktor aus der Aue zu entfernen. Dabei, bemerkt Schultheiß, gehe es nicht nur um den nahe gelegenen Storchenhorst, sondern auch um Wiesenbrüter und viele Watvögel. Vermehrt würden Vorfälle bei der Stadt gemeldet, darunter auch eine Begebenheit, wonach ein Passant von einem Fluggerät beinah am Kopf getroffen worden sei, zählt der Bürgermeister beim Blättern in der Akte auf. Daraufhin habe der zuständige Sachbearbeiter im Liegenschaftsamt, Jürgen Hartenfeller, sich mit MSE-Mitglied Mathias Dörr in Eichen in Verbindung gesetzt, so Schultheiß. „Ich bin im Ort halt bekannt“, bestätigt Dörr die Kontaktaufnahme.
Der Vorstandskollege Dörr habe einen Acker seines Vaters ins Spiel gebracht, den der MSE hätte pachten können, erzählt Brandt. Dann habe sich aber herausgestellt, dass dieses Gelände schon langfristig an einen Landwirt verpachtet sei. Der Vorstandskollege habe diesen Umstand herunterzuspielen versucht, so Brandt, indem er sich als guten Freund vom Bürgermeister hingestellt habe und meinte, da lasse sich eine einvernehmliche Lösung finden. Dörr und Schultheiß bestätigen den alternativen Standort. Allerdings: Für das in Frage kommende Ackergelände habe die Jagdgenossenschaft Widerstand angekündigt, so Schultheiß und bemerkt: „Welcher Verein auch immer ein Grundstück findet, für den geht es in eine große Runde“. Gespräche zwecks Einigung mit Bauernverband und Jagdgenossen müssten erfolgen, und der Vereinsbetrieb müsse bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) „durchgeboxt“ werden. Das sehen Dörr und Brandt allerdings anders. Beide betonen, dass es zum Betrieb von Modellsegelflug nur die Genehmigung des Grundstückbesitzers brauche.
Vereinsintern eskaliert die Auseinandersetzung. Vorwürfe, dass der Vorsitzende unter Alkohol seine Flugzeuge fliege, werden erhoben. Die Vorwürfe „sind völlig aus der Luft gegriffen“, entrüstet sich MSE-Schriftführer Rainer Flesch, „das ist Rufmord“. Bei der anstehenden Vereinsversammlung des etwa 30 Mitglieder starken Vereins wird Peter Brandt von der Mehrheit als Vorsitzender bestätigt. Einen Grund für das Vorgehen weniger Mitglieder vermutet Brandt in dem Wunsch, Modellflugzeuge mit Verbrennungsmotoren bis zu 25 Kilogramm schwer zu fliegen. Die aber dürfen im Verein nicht geflogen werden. „Wir fliegen nur Elektro- und Segelflugmodelle bis fünf Kilogramm schwer“, erklärt Brandt. Dem widerspricht Dörr, der mittlerweile mit einigen ebenfalls ehemaligen MSE-Mitgliedern einen eigenen Verein gegründet hat, den Elektromodellflugverein Nidderau, „das sagt schon der Name“. Geflogen werde künftig in der gleichen Klasse bis fünf Kilogramm.
„Zunächst war Brandt durchaus einig mit der Verlegung“, gibt Dörr seine Sicht wieder, „doch dann kam das Alkoholproblem dazwischen.“ Und: „Darüber ist der ganze Verein zerstritten.“ Fliegen unter Alkoholeinfluss sei verboten, wenn etwas dabei passiere, entfalle der Versicherungsschutz, führt Dörr aus, er habe sich beim Verbandsjuristen der Modellsegelflugvereine erkundigt. Schließlich habe er Anzeige bei der Polizei Hanau gestellt.
Und auch die Stadt bleibt bei ihrem Standpunkt. Brandt legt Widerspruch gegen die Kündigung ein. Schreiben gehen hin und her. Peter Brandt gibt nicht auf, ersucht erneut um ein persönliches Gespräch. Unverständlich sei ihm die Kündigung, sei er doch immer davon ausgegangen, weil einst von Seiten der Stadt versprochen, dass der Pachtvertrag nur aufgelöst werden würde, wenn es einen alternativen Standort gebe.
Durch den Ton, den Brandt in seinen Schreiben anschlägt, „hat sich der Magistrat in seiner Gesamtheit brüskiert gefühlt“, begründet Schultheiß seine Ablehnung eines persönlichen Gesprächs mit dem Vereinsvorsitzenden Brandt.
In einem weiteren Kündigungsschreiben teilt die Stadt mit, dass kein Alternativgelände anzubieten sei, weil keines zur Verfügung stehe. „Ich habe bei der Jagdgenossenschaft um ein geeignetes Gelände und bei fünf Bauern in Eichen und Erbstadt angefragt“, bestätigt Hartenfeller die städtischen Bemühungen. Ohne positives Ergebnis. Auch weist die Stadt darauf hin, dass eine Genehmigung seitens der unteren Naturschutzbehörde nicht vorliege, aber zwingend notwendig sei. Auf Nachfragen bestätigt John Mewes, Pressesprecher des Main-Kinzig-Kreises für die UNB, „unabhängig davon, ob eine luftverkehrsrechtliche Genehmigung erforderlich ist“, müsse der Verein eine Genehmigung bei der Unteren Naturschutzbehörde beantragen.
Außerdem sei die Stadt davon in Kenntnis gesetzt worden, heißt es in einem der Redaktion vorliegenden Stadt-Schreiben, dass gegen den Verein ein Ermittlungsverfahren wegen Alkoholmissbrauchs während des Betriebes von Modellflugzeugen vom Regierungspräsidium Darmstadt eingeleitet wurde. Daraufhin schaltet Peter Brandt einen Anwalt ein, der die Einsicht in die Akten beim RP einfordert. Denn den Vorwurf alkoholisiert zu fliegen, „das will ich nicht auf mir sitzen lassen“, empört sich der Vereinschef. Daraus erfahren er und seine Vorstandskollegen, dass Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten (Fliegen unter Alkoholeinfluss) bei der Polizei getätigt wurden. Allerdings: Ein Ermittlungsverfahren beim RP gibt es nicht. „Nach durchgeführten Ermittlungen und Prüfung des Sachverhalts konnte festgestellt werden, dass kein Verfahren gegen Ihren Mandaten eingeleitet und der Vorgang abgeschlossen ist“, erhält der Anwalt Auskunft aus Darmstadt.
Bleibt für die Modellsegelflieger des MSE Eichen die Frage offen, wo sie zukünftig mit den ersten warmen Brisen des Frühlings ihre Elektro-Flugzeuge in die Lüfte steigen lassen können.