Es ist eine schwierige Phase, die Pubertät. Doch wie kommen Eltern und Kinder da am besten durch? Eine Expertin informiert in der Buchhandlung „Lesezeit“ im Brunnencenter in zwei Referaten über diese Herausforderung.
Bad Vilbel. Silke Mahatzky, die Inhaberin der Buchhandlung „Lesezeit“ im Brunnen-Center, und ihre Mitarbeiterinnen müssen noch kurzfristig Stühle herbeischaffen, um allen Gästen einen Sitzplatz zu garantieren – die kleine Buchhandlung scheint aus allen Nähten zu platzen. Kein Wunder, es geht um das Thema Pubertät. Und das trifft in Dortelweil-West auf viele Familien zu. Schließlich wurde der Stadtteil vor gut 15 Jahren für Eltern und Paare mit Kinderwunsch konzipiert. Heute werden diese Eltern manchmal von ihren Kindern mit Sätzen wie „Chill’ mal dein Leben“ konfrontiert.
Und Gabriele Lotz-Forndron geht nach einer Erzählung über das Kommunikationschaos von Eltern und deren pubertierenden Kindern direkt auf die Elternschaft zu und fragt die Beteiligten nach ihren Erinnerungen an die eigene Pubertät. „Ich hatte strenge Eltern. Für das Pubertieren war da nicht viel Platz“, sagt eine Mutter. Die Referentin erwidert, dass bei sehr autoritären Eltern die Jugendlichen viel Mut benötigten, um aufzubegehren: „Manche trauen sich das nicht, andere revoltieren.“
Depressive Abstürze
Eine andere Teilnehmerin erinnert sich an starke Gefühlsschwankungen und an Gedichte, die sie in dieser Zeit schrieb: „Ich fand die Zeit fürchterlich.“ Diese ausgeprägten Emotionen – von himmelhochjauchzend bis zum Tode betrübt – seien auch heute noch ein typisches Pubertätsphänomen.
Biologisch beginnt die Pubertät beim männlichen Geschlecht mit dem ersten Samenerguss, beim weiblichen mit der ersten Menstruation (bei beiden im Alter von zehn bis elf Jahren). Dann folgt eine sogenannte Gedankenpubertät, bei der die Teenager – meist im Alter von 13 bis 15 Jahren – schier unendlich diskutieren und dabei vieles infrage stellen, was früher für sie so in Ordnung zu sein schien.
Daran schließt sich die Gefühlspubertät an, die etwa im Alter von 15 bis 16 Jahren auftritt. Dort kommt es zu gravierenden Stimmungsschwankungen – auf Träume folgen fast depressive Abstürze. Abschließend erkunden die Jugendlichen, meist wenn sie 17- bis 18-jährig sind, ihre eigenen Wege und verlassen den Pfad, den zuvor oft ihre Eltern aufgezeigt haben. Sie gehen an ihre eigenen Grenzen heran. Man spricht von der Willenspubertät. Abweichungen im Alter kommen aber durchaus vor. Lotz-Forndron geht auch auf den Umbau des Gehirns beim Heranwachsen ein: „Die Pubertät beginnt im Kopf. Das bedeutet leider auch, dass in dieser Entwicklungsphase die Vergesslichkeit zunimmt.“ Das Gehirn schütte in dieser Zeit den Stoff Melatonin, der für die Müdigkeit zuständig ist, mit einer ein- bis zweistündigen Verspätung aus: „Das führt dazu, dass die Jugendlichen abends deutlich später als vorher zur Ruhe und morgens nur ganz schwer aus dem Bett kommen.“
Die Referentin rät Eltern aber davon ab, bei dieser Entwicklung einfach hinzuschauen und zu warten, bis sie vorüber ist: „Man kann durch das eigene Vorleben bereits im Kleinkinderalter viel tun, damit die Entwicklungsprozesse im Gehirn der Heranwachsenden entzerrt nach vorne schieben. Und in der Pubertät sollten die Eltern auf die Anliegen der Kinder eingehen.“ Schließlich seien in den einzelnen Entwicklungsphasen neben den biologischen Prozessen auch das Umfeld von Erziehungsberechtigten und Freunden sowie die Gene entscheidende Faktoren.
Ausgeprägter Star-Kult
Lotz-Forndron geht auch auf die Unterschiede zwischen heranwachsenden Jungen und Mädchen ein. Jungen treiben Sport, vor allem im Fitnessstudio, um Muskeln aufzubauen, sie suchen das Kräftemessen – haben dabei aber auch Angst, zu unterliegen. „Hinter diesem Macho-Gehabe und dem Willen, cool zu sein, steckt aber auch die Angst, kein richtiger Mann zu sein“, erklärt Lotz-Forndron. Während bei den männlichen Teenagern der Alkoholgenuss ausgeprägter sei, griffen die Mädchen zwar auch zur Flasche, aber noch mehr zur Zigarette. Bei ihnen ist auch der Star-Kult zu Idolen wie Justin Bieber ausgeprägter: „Sie sehen dort ihre eigenen Sehnsüchte und Fantasien.“
Noch heftiger bewertet die Referentin aber die Frage nach der „guten Figur“, bei der sich die Mädchen dann fast alle als „zu dick“ empfänden. „Vor allem aber vergleichen sie sich mit anderen, haben hier ebenfalls Angst, zu unterliegen“, erklärt Lotz-Forndron. Am Ende des Abends sind zwei Stunden im Nu vergangen, aber das Programm ist erst zur Hälfte erledigt (siehe „Service“).
Die Referentin wird am Donnerstag, 7. Mai, ab 19.30 Uhr in der Buchhandlung „Lesezeit“ den zweiten Teil ihres Vortrags halten (Eintritt: fünf Euro).