Bad Vilbel. Blitzschnell oder langsam, je nach Temperament, tauchten gestern 20 junge Europäische Sumpfschildkröten in ihr neues Lebensumfeld Nidda ein. „Die Europäische Sumpfschildkröte zählt zu den seltensten Tierarten unserer Heimat. Sie ist akut vom Aussterben bedroht“, sagte Mark Weinmeister, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Er war mit Frankfurts Zoodirektor Professor Manfred Niekisch, Professor Roland Prinzinger von der Goethe-Universität, Hansgeorg Jehner und Diplomingenieur Gottfried Lehr auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft (AG) Sumpfschildkröte an den Niddabogen nahe des Dortelweiler Golfclubs Lindenhof gekommen. In der Nidda ausgewildert wurden die mindestens 200 Gramm schweren Tiere, die 70 bis 100 Jahre alt werden können, auf Initiative der Diplombiologen Sibylle Winkel und Matthias Kuprian von der AG.
Geschlüpft und aufgezogen wurden die 20 jungen Panzerträger im Frankfurter Zoo. „Hier, im über weite Strecken bereits renaturierten Gewässer, finden die Sumpfschildkröten nach langer Abwesenheit gute Überlebensbedingungen“, freute sich Projektkoordinatorin Winkel. „Sie sind reine Fleischfresser. Sie leben im Wasser. Wer Glück hat, kann die wechselwarmen Tiere morgens oder mittags beim Sonnen auf einem Stein oder einem Stück Holz in der Nidda beobachten. Sie kommen nur zur Eiablage einmal im Jahr, im Mai oder Juni, an Land“, erklärte Winkel. Zwei Monate nach der Eiablage schlüpfen die etwa Daumennagel großen Jungtiere. „Die Schlüpflinge haben in der Natur nur geringe Überlebenschancen“, bekräftigte Zoodirektor Niekisch. Der Zoo koordiniere das Hessische Nachzuchtprogramm. Bisher seien 200 Exemplare nachgezüchtet worden. Ein großer Teil von ihnen sei in Schutzgebieten am Rhein, an der Fulda, an der Gersprenz und in der Wetterau ausgesiedelt worden. „Weitere 400 Tiere sollen in den kommenden Jahren in geeigneten hessischen Lebensräumen ausgebracht werden. Ein Teil dieser Schlüpflinge wird sicher auch im Niddasystem eine neue Heimat finden“, kündigten Winkel und Kuprian an. Die Tiere seien standorttreu, scheu, aber auch neugierig.
Die Tiere sind im Alter von zehn Jahren und bei einer Größe von 20 Zentimetern ausgewachsen. Obwohl ihr Panzer sehr hart ist, haben Iltis, Marder, Waschbären und große Raubfische sie zum Fressen gern. Im Mittelalter wurden die Bestände der Tiere in ganz Deutschland nach und nach ausgerottet.
Hansgeorg Jehner, Vorstand der Gerty-Strohm-Stiftung, sagte: „Die Sumpfschildkröten waren früher an Rhein, Main und Nidda weit verbreitet. Ich freue mich auf ihre Wiederansiedlung“. An der renaturierten Nidda finden sie gute Überlebensbedingungen“, betonte Gewässerökologe Gottfried Lehr. „Die Nidda verfügt heute über Biotope, die für Sumpfschildkröten überlebenswichtig sind. Das sind Altwässer, warme Flachwasserzonen, offene, bewachsene Ufer sowie Gehölze der Weich- und Hartholzauen. Die bestandsbedrohten Reptilien fänden dort Nahrung, Versteckmöglichkeiten sowie Sonnen- und Eiablageplätze, ergänzte Gewässerökologe Lehr.
Zu denen, die den neuen Niddabewohnern viel Glück in der Freiheit wünschten, gehörten Vertreter des Naturschutzes, Stadtrat Jörg Frank (CDU) und der Bad Vilbeler CDU-Chef, MdL Tobias Utter.