Leserbrief zu Peter Pauls Artikel „Das Ende einer Sünde“, Bad Vilbeler Anzeiger vom 2. April.
Peter Paul macht uns Angst. In seinem Beitrag über die Renaturierung der Nidda sagt der Stadtverordnete Peter Paul seinen Lesern „hundertjährige Hochwasser“ voraus. Und es kommt noch ärger: Pauls Hochwasser wütet nicht nur für zehn Dekaden, es wird sogar „in Zukunft häufiger auftreten“! Wenn Paul recht behält, wird Bad Vilbel im 21. Jahrhundert bei Wassersportlern mit einer Seenplatte für sich werben können. Ein Schreckensszenario für viele Menschen, die am Nidda-Ufer wohnen oder Gärten unterhalten – es sei denn, Paul hat eigentlich nur ein „Jahrhunderthochwasser“ im Sinn. Das dauert in der Regel ein paar Tage und ist auch nur – wie der Name schon sagt – einmal in 100 Jahren zu erwarten.
Immerhin schafft der Kommunalpolitiker bei seinen Lesern Klarheit über die Folgen der Renaturierung des Flusses in Bad Vilbel. Er kündigt an: „Die Rheinanlieger in Köln und den Niederlanden werden davon profitieren.“ Oder anders gesagt: Wenn in Bad Vilbel das Nidda-Hochwasser ein paar Felder flutet, versinken die Erdgeschosswohnungen in Holland künftig nicht mehr im dreckigen Rheinwasser. Hut ab! So viel internationalen Ehrgeiz hat bisher noch kein Bad Vilbeler Stadtverordneter gezeigt.
Aber das ist noch nicht alles. Peter Paul gelingt sprachlich und geometrisch das Unmögliche: Er kündigt die „Aufweitung“ des Flusses auf „3 km Länge“ an. Ja nun, Herr Paul, weiten oder längen sie die Nidda? Womöglich will Paul nicht nur Lebensraum für Flora und Fauna, sondern auch Arbeit für Germanisten schaffen, wenn er „Rücksicht für die Oberlieger“ verspricht. „Oberlieger“? Ich frage mich, welcher Leser des Bad Vilbeler Anzeigers sich für einen „Oberlieger“ hält, einen kennt oder überhaupt versteht, wovon hier die Rede ist? Kein Zweifel, Peter Paul geht es um die Sache und da kann schon mal etwas sprachlich durcheinander geraten. Etwa wenn er uns zusagt, dass die Renaturierung der Nidda die „Sünden der Vergangenheit heilen“ wird. Ach Herr Paul, es ist doch so einfach: Wunden heilen, Sünden werden vergeben. Sie wollen sprachlich Sünden heilen können – das hat nicht einmal Jesus versucht.
Die nächste Phase ihrer Renaturierung ist für die Nidda und für Vilbel ein außerordentliches Projekt, das aus einem begrünten Kanal wieder einen lebendigen Fluss machen wird, der sich frei seinen Weg durch das Gelände suchen darf. Der Nidda ist zu wünschen, dass sie sich dabei leichter tut als der Autor Paul mit der Sprache.
Christian Schnee
Dozent für Public Relations
University of Worcester
Business School, England
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