Bad Vilbel. „Das ist unser Weihnachtsgeschenk für Bad Vilbel“, schwärmt der Gewässer-Ökologe Gottfried Lehr bei der Vorstellung des größten Naturschutzprojektes an der Nidda, für das jetzt bereits die ersten Bäume gefällt werden. Vom Sommer an soll der Fluss auf einer Länge von drei Kilometern und einem 300 Meter breiten Korridor wieder seine natürliche Form erhalten. So wie am Nidda-Knie, wo der Fluss aus dem bisherigen Kanal heraus in die Wiesen hinein mäandert, soll es flussabwärts bis zum Gronauer Hof aussehen. Bereits jetzt könne man auf Äckern Absenkungen erkennen, die den früheren Nidda-Verlauf markierten, sagt Lehr.
Finanziert wird das Vorhaben komplett aus Mitteln der Gerty-Strohm-Stiftung, deren Verwalter der Rechtsanwalt und Notar Dr. Hansgeorg Jehner ist. Über die genauen Kosten wollte er keine Angaben machen, es handele sich aber um einen siebenstelligen Betrag.
Es werde keine Urlandschaft und auch keine Nachgestaltung früherer Wege geben, erläutert Lehr. Die Renaturierung sei lediglich eine Initialzündung, denn „der Fluss ist sein eigener Architekt“, betont Lehr. So wird der Radweg vom Ufer um 300 Meter versetzt.
Auch der Flusslauf selbst wird an vier Stellen teilverfüllt, damit die Nidda sich schlängeln kann. Die bisherige Uferbefestigung und auch große Teile der Bäume werden entfernt. Teile bleiben als Inseln stehen. Lehr betont jedoch, dies sei kein Kahlschlag an den Weiden und Erlen, denn durch die Umgestaltung könnten am Ende zehnmal so viele Bäume stehen. Entlang der Ufer ist eine Beweidung mit Galloway-Rindern vorgesehen. Die zusätzlichen Gewässerflächen geben der Natur einen Entwicklungsschub, ist sich Lehr sicher. Auf den zusätzlichen Flussflächen und neu entstehenden Teichen sei eine große Artenvielfalt zu erwarten. Nicht nur die Störche fänden noch bessere Bedingungen vor. In und an der Nidda entstünden Refugien für Fischotter, Eisvögel, die europäische Sumpfschildkröte und den Biber, „unseren neuesten Mitbürger“, erläutert Lehr. Die Umgestaltung entspreche nicht nur dem EU-Recht zum Gewässerschutz, sondern diene auch dem Hochwasserschutz und belebe die Artenvielfalt von Fischen, Amphibien und Vögeln, betont Lehr. Besorgten Gronauern, die durch zusätzliche Wasserflächen eine Schnakenplage befürchten, beruhigt der Gewässer-Ökologe. Es handele sich um ein Fließgewässer, zudem vertilgten Fische auch die Plagegeister.
Unklar ist noch, wie die weitere landwirtschaftliche Nutzung in dem renaturierten 40-Hektar-Areal vonstatten gehen soll. Klar ist bisher nur, dass der Pachtvertrag der Familie Schwarz auf dem Gronauerhof Ende Juni endet. Dort ist sie im Jahr 1946 eingezogen. Ihr soll noch die Gelegenheit gegeben werden, die Ernte einzufahren, sagte Dr. Jehner. Danach werde die Familie Schwarz die Pacht der Staatsdomäne Nonnenhof bei Ilbenstadt übernehmen. Er wisse, was es bedeute, vom Hof zu müssen, räumte Dr. Jehner bei der Vorstellung der Pläne in der mit über hundert Besuchern gefüllten Breitwiesenhalle ein: „Diese Verantwortung trage ich mit“. Besorgten Bewohnern der angrenzenden Häuser teilte er mit, dass dort alles beim Alten bleibe. Beim Gronauer Hof werde man „zu gegebener Zeit sehen“, wie es weitergehe. Auch mit der Verteilung der landwirtschaftlichen Nutzfläche wolle er abwarten, bis der Umbau beendet ist, sagte Dr. Jehner. Die Felder werden wohl alle an Gronauer Landwirte gehen. Der Dottenfelderhof, der ebenfalls Interesse bekundete, habe schon aus einer Vereinbarung des Landes zwölf Hektar aus der Domänenfläche zugewiesen bekommen.
Bad Vilbel habe bereits 1989 als erste Anlieger-Kommune mit der Nidda-Renaturierung begonnen, teilte Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) mit, die Renaturierung des Nidda-Knies habe internationale Delegationen angezogen. Die Umgestaltung kostete damals 225 000 Euro. Seit 2000 / 2001 werde an dem jetzigen Vorhaben gearbeitet. Das Projekt sei nur durch das Mäzenatentum der Stiftung möglich geworden. Nach der vor zwei Jahren beendeten Renaturierung zwischen Ilbenstadt und Karben auf 500 Metern Länge würden nun drei Kilometer neu gestaltet, betont Lehr. Erstmals würden diesmal die beiden Uferseiten miteinbezogen.
Der Ökologe hofft auf ein friedliches Nebeneinander von Naturschutz und Naturfreunden. Um das Niddaknie habe man zum Schutz bereits einen Zaun ziehen müssen. Bei der Brücke am Gronauer Hof soll es eine Möglichkeit geben, den Fluss zu betreten.
Die Gerty-Strom-Stiftung habe er 1992 gegründet, erläutert Stiftungs-Vorstand Dr. Jehner. Er sei „an der Nidda aufgewachsen.“ 1993 hat er dort einen Golfplatz gebaut. Er erinnerte daran, dass eine Renaturierung nicht den Urzustand der Landschaft herstellen könne. Der sei geprägt von Mooren, Sümpfen und Flussauen. Nur ein kleiner Teil Deutschlands sei landwirtschaftlich kultiviert gewesen, Hungersnöte, Malaria, Typhus und Cholera grassierten. Erst die Fürsten im 18. Jahrhundert hätten den Kampf für Landgewinnung aufgenommen. Die 40 Kilometer lange Nidda sei 1962 zur heutigen Form umgestaltet worden. Nun gehe es „um die Korrekturen der Flusskorrektur“, betont Dr. Jehner.