Karben. Ina Lauster-Ulrich ist Multi-Engagierte. Seit mehr als 40 Jahren gehören Ehrenämter zum Leben der 56-jährigen Roggauerin dazu: Tischtennis, Kindergarten, Kirchenvorstand, und dann gibt es auch noch den Lieselturm. Ihr Credo:Es tut gut, etwas für die Allgemeinheit zu tun.
Leuchtend blau blitzt der Verband am rechten Handgelenk von Ina Lauster-Ulrich hervor. Doch daran, das Schloss an »ihrem« Lieselturm zu öffnen, hindert er die 56-Jährige nicht. Nach vier Wochen mit Gips hat sie ihre Kniffe gefunden, wie sie am Schreibtisch tippen oder interessierten Paaren Hessens kleinstes Standesamt zeigen kann. »Eine Krankschreibung gibt es im Ehrenamt nicht«, bringt es Lauster-Ulrich lachend auf den Punkt.
Der Bruch des Handgelenks – die Folge eines engagierten Manövers beim Tischtennis – war dabei das erste Mal, dass in über 40 Jahren ihres Multi-Engagements etwas schiefgelaufen ist: Mit zwölf Jahren hat Ina Lauster-Ulrich begonnen, Tischtennis zu spielen, und weil sie zu dem Zeitpunkt die Mannschaftsälteste war, hat sie der Trainer kurzerhand zur Mannschaftsführerin ernannt. Ihr erstes Ehrenamt, das sie bis heute ausfüllt.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich Lauster-Ulrich engagiert, wo es nötig war. Am Anfang stand eine Prise »Eigennutz«: Als sie und ihr Mann Frank Ende 2001 nach Roggau kamen, suchte sie als Mutter eines Kleinkindes kurz vor der Geburt des zweiten Sohnes schlichtweg Anschluss. »Ich wollte gern Leute kennenlernen«, sagt sie heute. Und wo klappt das besser als im Elternbeirat der Kita? Über diesen »stolperte« Lauster-Ulrich quasi in den Kirchenvorstand. Seither sind fast 20 Jahre vergangen, die Söhne längst erwachsen – doch sie ist das Gesicht des Kirchenvorstandes, mittlerweile der Gesamtkirchengemeinde Karben, geblieben.
Viel Verantwortung
rund um die Kirche
Als Vorsitzende der Gemeinde leitet sie unter anderem das Verwaltungsteam mit vier Sekretärinnen, führt täglich Telefonate, ist für Verträge mit Firmen ebenso verantwortlich wie für die Dienstgespräche mit allen 35 Mitarbeitenden von Organisten bis zu Reinigungskräften. »Im Prinzip führe ich ein mittelständisches Unternehmen«, sagt sie mit Blick auf ihre eingesetzten Kraft- und Zeitressourcen. Dass sie BWL studiert und in entsprechenden Positionen tätig war, hilft ihr dabei.
Seit 2016 ist sie als weitere »Teilzeitstelle« Mitglied des sogenannten Dekanatssynodalvorstands, seit Frühjahr 2022 übernimmt sie hier den Vizevorsitz und ist damit Stellvertreterin von Präses Tobias Utter. In dieser Rolle ist sie Ansprechpartnerin für die 14 Kitas im Dekanat. Wie viel Budget ist noch für Spielzeug vorhanden? Ein Anruf bei Ina Lauster-Ulrich, die nach wenigen Klicks in ihren voll digitalisierten Aufzeichnungen Antworten weiß.
Ein Vollzeitjob – ohne Bezahlung. Warum macht man das? »Weil’s unterm Strich – mit allen Höhen und Tiefen – guttut, etwas für die Allgemeinheit zu tun«, bringt es die Multi-Engagierte auf den Punkt. »An vielen Stellen ist die Alternative dazu, ein Ehrenamt zu übernehmen, doch die, dass die ,Stelle‹ unbesetzt bleibt, weil es sonst niemand machen will. Und das kann aus meiner Sicht keine echte Alternative sein.«
Hinzu kämen immer wieder bereichernde Begegnungen und Freundschaften, die weit über das jeweilige Amt hinaus blieben. Denn Ina Lauster-Ulrich ist an ihren Aufgaben gewachsen – und diese mit ihren beiden Söhnen Kai und Lukas. So war sie von der Kita bis zum Abitur jeweils als Elternbeirätin aktiv, später dann in den Büchereien von Pestalozzi- und Kurt-Schumacher-Schule, nach dem Abschluss der beiden im Vorstand des Fördervereins, zudem natürlich Jugendwartin in den entsprechenden Sportvereinen. »Viele der Freundschaften, die sich auf dem Weg gefunden haben, bestehen bis heute.«
Ansprechpartnerin
für Hochzeitspaare
An zwei Dinge hat sie in all den Jahren in besonderem Maße ihr Herz verloren: an den Lieselturm, dessen erfolgreiche Vermarktung nach der umfassenden Restaurierung sie maßgeblich mitinitiiert hat und dessen knapp 50 Trauungen sie allesamt persönlich begleitet hat – vom ersten Besichtigen des Turms, das sie sieben Tage die Woche möglich macht, über das Besorgen des Blumenschmucks bis hin zum Erinnerungsbild für die Fotowand. Und an die Kita, wo ihre persönlichen »Ehrenamtsanfänge« liegen. Hier schaut sie heute noch vorbei, liest den Kindern vor, hält mit Pfarrerin Nadia Burgdorf zusammen die Mini-Kirche.
Die Stunden schätzt sie auch, weil Kinder so ehrlich sind. So soll ihr eigener Sohn, als es in der Grundschule um die Berufe der Eltern ging, einmal erklärt haben: »Meine Mama macht alles ohne Geld«, erzählt Lauster-Ulrich schmunzelnd.
»Es sind eben immer die Gleichen, die Ja sagen«, sagt sie – nicht jedoch enttäuscht oder gar mit Groll über die »verschenkten« Stunden, wie man es oft aus anderen Mündern hört. Im Gegenteil: Sie ist stolz darauf, wie sie ihre Zeit gewinnbringend für die Gesellschaft einsetzt. Dass ihr das auch etwas zurückgibt, zeigt nicht zuletzt ihre eigene Freizeitgestaltung: Sobald es ihr Arm wieder zulässt, wird sie wieder Tischtennis spielen.
Von Jana Sauer