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Die Kunst des Zuhörens – Das Wort zum Sonntag

Kennen Sie das auch? Menschen, die einem nie wirklich richtig zuhören? Bestimmt. Das können sehr nette Menschen sein, aber nach einer Zeit schleicht sich im Gespräch bei mir das Gefühl ein, dass er oder sie mir gar nicht richtig zuhört. Egal was ich einwerfe – nach kurzem geht es wieder um ihre Sorgen oder Ideen. Mich nervt so etwas auf Dauer. Ich möchte, dass mir der andere auch mal zuhört, meine Sorgen oder auch nur mein Gejammer ernst nimmt und eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Ist es aber nicht immer. Schade.

Aber dann überlege ich, wie oft ich umgekehrt Menschen auch nicht wirklich zuhöre. Manchmal sind es äußere Gründe, die mich ablenken (zu wenig Zeit, die Kinder, eine ungünstige äußere Situation), aber manchmal bin ich auch innerlich nicht offen für mein Gegenüber. Vielleicht denke ich, die Geschichte schon zu kennen und manchmal schalte ich innerlich ab, weil ich nichts zu sagen weiß. Vermutlich spürt mein Gegenüber dann auch, dass ich nicht wirklich zuhöre. Auch das ist schade.

Denn im Grund schätze ich Gespräche und echten Austausch mit Menschen sehr. Ich habe von dem, was andere mir anvertraut haben, schon viel gelernt. Zu erfahren, wie andere Menschen die Welt betrachten, ist doch spannend. Manchmal werde ich dadurch bestätigt oder ich erfahre Neues, manches lässt mich stutzen oder ich muss mich korrigieren. Nur so lerne ich doch im Grund. Schade, wenn man sich solche Gelegenheiten entgehen lässt.

Eine Konfirmandin hat ihre Vorstellung von Gott einmal mit einem Handy übersetzt, das immer Empfang hat. „Mit Gott kann man immer reden, und der hört wirklich immer zu“, hat sie das erklärt. Für mich ist Gott auch so. Wenn ich mit ihm rede, gehe ich davon aus, dass er mir wirklich zuhört. Egal, ob ich ein kurzes oder langes Gebet spreche, das Vaterunser oder ein persönliches Gebet, zwischendurch im Alltag oder am Sonntag im Gottesdienst. Ich glaube, dass er mich ganz und gar kennt und Zeit für mich hat. Das tut mir gut.

Schwieriger ist es, umgekehrt Gott zuzuhören. Aber wenn ich von Gott keine Antworten erwarte oder mich nicht darum kümmere, bin ich wie meine Bekannten, die immer nur von sich reden. Es fällt mir nicht leicht, Gottes Antworten zu verstehen und häufig muss ich darauf warten. Aber mir hat er schon oft geantwortet. Das ist bisher nie so geschehen, indem ich eine Stimme akustisch vernehmbar gehört hätte. Er antwortet mir zum Beispiel, indem ich im Gebet eine Erkenntnis gewinne (manchmal übrigens eine unangenehme Wahrheit über mich selbst). Oder ich bin danach getröstet und habe neue Kraft gefunden. Manchmal habe ich lange auf eine Antwort warten müssen und dann kam ein Erlebnis, das es mir verdeutlicht hat. Das waren übrigens oft solche echten Gespräche. Zwiesprache mit Gott heißt auch, seine Antworten zu suchen. Schade, wenn wir die verpassen.

Pfarrerin Ulrike Mey,

Evangelische Christuskirche

Bad Vilbel