2016 sollen die ersten Fahrzeuge über die Nordumgehung Groß-Karben rollen. Fiktion? Nein!Das Land Hessen und die Stadt Karben haben einen Vertrag fertig, wie die Kommune das Bauprojekt vorfinanzieren soll. Damit rückt der Baubeginn erstmals in greifbare Nähe.
Karben. Ein wenig wirkte es wie finanzielles Harakiri. Die hochverschuldete Stadt gibt dem Land Hessen die Zusage, den Bau der 15 Millionen Euro teuren Nordumgehung Groß-Karben vorzufinanzieren. Nur die Grünen stemmten sich gegen dieses Versprechen.
Die Karbener haben hoch gepokert und scheinen nun viel zu gewinnen: Sowohl die Finanzierungssumme fällt wohl deutlich geringer aus als befürchtet. Auch kann die Umgehungsstraße wohl überraschend schnell gebaut werden. Den Sofortvollzug hatten die Befürworter von der Bürgerinitiative „Nordumgehung jetzt!“ schon lange gefordert. Bislang stemmen sich Anwohner vom nördlichen Ortsrand aus der Bürgerinitiative „Rettet die Nidda-Aue“ per Klage dagegen. Im November aber lenkte Hessens Verkehrsminister Dieter Posch (FDP) ein und sagte den Sofortvollzug zu, sofern Karben für den Bau in Vorkasse trete. Denn erst ab 2015 habe das Land wieder Geld dafür. In Wiesbaden haben Bürgermeister Guido Rahn (CDU) und der städtische Verkehrsplaner Ekkehart Böing nun mit dem Land einen Vertrag über die Vorfinanzierung ausgehandelt. „Wir sind uns in den meisten Eckpunkten einig“, berichtet Rahn. Demnach schießt die Stadt alles vor, was von 2012 bis 2014 an Kosten aufläuft. „Ab 2015 wird dann direkt vom Land bezahlt“, erklärt der Bürgermeister.
Gleichzeitig sollen die Rückzahlungen an die Stadt beginnen. Die Summe – je nach Baufortschritt zwischen 4,5 und neun Millionen Euro – wolle das Land „in wenigen Jahresraten“ erstatten. „Es wird auf jeden Fall weniger lang dauern als die zehn bis 15 Jahre, die Bad Vilbel für seine Nordumgehung Rückzahlungen erhält.“
Drei Gründe drängen Karbens Politik zur Eile: „Wenn wir nichts vorfinanzieren, passiert vor 2015 nichts“, sagt Rahn. Selbst jene Arbeiten, die „kein großes Geld kosten, aber Zeit“, blieben liegen. Das sind Detailplanungen, die europaweite Ausschreibung sowie archäologische Untersuchungen und jene des Kampfmittelräumdienstes im Bereich der Main-Weser-Bahn.
Zweitens rette Karben das Projekt vor einem möglichen Regierungswechsel 2013 im Land: „Wenn vor der Landtagswahl keine Fakten geschaffen sind, kann ein solches Projekt auch noch ganz schnell kippen“, warnt Rahn. Drittens hänge der Erfolg der Dorferneuerung Groß-Karben am Bau der Umgehung. „Sonst verlieren wir viel Geld.“ 2016 sei der letzte Termin, zu dem das Land den Umbau der Ortsdurchfahrt fördere. Unterm Strich sieht Rahn dies als „Nullsummenspiel“: Rechne man die Zuschüsse der Dorferneuerung den Kosten fürs Vorfinanzieren gegen, komme die Stadt etwa Null auf Null heraus. „Wir haben dann aber eine Umgehung und eine schöne Ortsdurchfahrt.“
Nicht nur: „Das Projekt eröffnet uns riesige Chancen“, erinnert der Bürgermeister. Ein Wohngebiet wie jenes an der Waldhohl lasse sich nur via Umgehung erschließen. Und die Kreisverkehre entlang der Bahnhofstraße im Zentrum könnten kleiner und damit günstiger ausfallen, wenn die Umgehung einen Großteil des Verkehrs übernehme. „Das macht schnell ein paar hunderttausend Euro aus.“
Deshalb drückt Rahn aufs Tempo. Im Februar soll das Stadtparlament den Vertrag absegnen. Planungen und Untersuchungen können dann 2012 laufen. 2013 würden die Brücken über Nidda und Bahnlinie gebaut. 2014 beginne der Streckenbau zunächst an der östlichen Seite, wo der Wetteraukreis die Kreisstraße von Heldenbergen her um Groß-Karben herum bis zur Landesstraße nach Burg-Gräfenrode verlängert. 2015/16 könne dann der restliche Streckenbau bis zur B 3 erfolgen, schätzt Rahn.
Und die Klagen? Über besseren Lärmschutz und sichere Querungsmöglichkeiten verhandeln das Land und das Berufsbildungswerk (BBW) bereits. Noch besser als geplant soll auch der Lärmschutz fürs nördliche Groß-Karben werden. „Wir haben der Bürgerinitiative ein neues Angebot gemacht“, so Rahn. Die Stadt hatte bereits 200 000 Euro für einen längeren Lärmschutzwall zugesagt.
Über den Fortgang der Verhandlungen mit der Bürgerinitiative habe man Stillschweigen vereinbart, berichtet der Bürgermeister. „Niemand soll hier an den Pranger gestellt werden“, sagt Rahn. „Es ist ja verständlich, dass die Anwohner Bedenken wegen der Straße haben.“ Für frühestens Anfang 2012 hatte das Verwaltungsgericht Gießen den Beginn der Verhandlungen über die Klage angekündigt. Ziel der Stadt sei es, sagt Rahn, dass es „erst gar nicht zu einer Gerichtsverhandlung kommt“. (den)