Es ist eine der eigenartigsten Begebenheit, die uns von Jesus berichtet wird. Sie umfasst nur wenige Verse und wenn es nach den Jüngern Jesu gegangen wäre, hätten wir nie davon erfahren. Es ist eine der vereinzelten Stellen, bei denen wir von einem sehr aufgebrachten Jesus lesen. Angesichts dessen, was ihm widerfuhr, konnte er sich nicht länger zurückhalten und schritt sehr deutlich ein. Von denjenigen, die diesen Zwischenfall auslösten, erfahren wir so gut wie gar nichts. Sie nehmen eine sehr passive Rolle in dieser Schilderung ein. Es waren kleine Kinder.
Nun gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, wie Kinder einen Zwischenfall auslösen, der die Erwachsenen mal in Wallung bringt. Ob es nun Kinder sind, die ein kreatives Chaos hinterlassen, bei deren Spiel einiges zu Bruch gegangen ist oder die allein nur wegen ihrer Lautstärke auffallen. Für uns Erwachsenen sind solche kindlichen Zwischenfälle oft lästige Angelegenheiten, auf die wir gerne verzichten können. Für manche scheint es nicht nur der einzelne Zwischenfall zu sein, sondern schlichtweg der Störfall „Kind“.
Ähnlich ging es in der besagten Begebenheit mit Jesus zu. Im Markusevangelium lesen wir: „Es wurden auch Kinder zu Jesus gebracht; er sollte sie segnen. Aber die Jünger wiesen sie barsch ab.“ (Mk. 10,13) Die Jünger konzentrierten sich auf das große Projekt „Reich Gottes“. Von diesem „Reich Gottes“ erwarteten sie Großes, die Lösung ihrer gegenwärtigen Probleme und vieles mehr. Jetzt waren sie bereits auf dem Weg nach Jerusalem, dem Ort der Entscheidung. Und auf einmal tauchen da Kinder auf. Der Störfall „Kind“ musste nach ihrer Auffassung abgewehrt werden. Doch an dieser Stelle schaltet sich Jesus ein: „Als Jesus es bemerkte, wurde er zornig und sagte zu den Jüngern: „Lasst die Kinder doch zu mir kommen und hindert sie nicht daran. Denn das Reich Gottes gehört Menschen wie ihnen.“ (Mk. 10,14) Indem Jesus so massiv einschritt, erteilt er der Auffassung, dass Kinder stören und keinen Platz bei Gott haben, eine klare Absage. Jesus nahm sich die Zeit für die Kinder und segnete sie.
Diese scheinbar kleine Begebenheit hat die christliche Sicht auf Kinder stark beeinflusst. Sie hinterfragt uns Erwachsenen, welchen Stellenwert Kinder bei uns haben. Sind sie für uns eine Störung oder ein Segen? Die Antwort findet sich weniger in den Worten der Erwachsenen, als vielmehr in der Ausgestaltung ihres Lebens. Welche Räume und Angebote gewähren wir Kindern? Mit wie viel Zeit und Energie widmen wir uns Kindern? Die christlichen Kirchen kennen bis heute die Segnung der Kinder, die bewusst den Stellenwert der Kinder nicht nur bei Gott sondern auch in seiner Gemeinde unterstreicht. Ein Gottesdienst, bei dem Eltern ihre Kinder segnen lassen können, folgt der Praxis Jesu. Durch solch eine Praxis wird uns Erwachsenen vor Augen geführt: Was bei uns groß ist, ist bei Gott klein. Und: Kleine kommen bei Gott ganz groß heraus.
Clemens Breest, Pastor
Freie evangelische Gemeinde
Bad Vilbel