Bad Vilbel. „Er gehört zweifellos in die Champions League der Kirchenvorstände“, sagt Pfarrer Stephan Krebs, Pressesprecher der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Gemeint ist Ernst Ludwig Bergsträßer, der auf 40 Jahre Mitgliedschaft im Vorstand der evangelischen Kirche Massenheim zurückblicken kann. So weit ins Detail gehen die Statistiken der EKHN nicht, dass sie von allen 1174 hessischen Kirchengemeinden wüssten, wie lange jemand Mitglied eines Kirchenvorstandes war. Aber dass es „sehr, sehr selten“ vorkomme, dass jemand 40 Jahre lang ununterbrochen diesem ehrenamtlichen Gremium angehört, das steht für Krebs fest.
Ludwig Bergsträßer möchte gar nicht, dass seine Vorstandstätigkeit besonders herausgehoben wird. Es sei klar, dass er mit nunmehr 76 Jahren etwas kürzer treten möchte. Er benötige seine Zeit, um sich um Sohn Waldemar zu kümmern, der seit einem Unfall im Jahr 1987 schwerbehindert in einer Klinik liegt, und den er praktisch täglich besucht.
Es war im Jahr 1969. Der junge Massenheimer Neubürger hatte es bei der Kirchenvorstandswahl zwei Jahre zuvor nur zum Nachrücker gebracht. Als Frieda Artz ausschied, rückte er nach und ihm wurde, weil er Bankkaufmann war, in der Nachfolge von Georg Wolf sogleich die Verwaltung der Kollektenkasse anvertraut.
Bergsträßer, der bei der damaligen Vilbeler Bank (heute Frankfurter Volksbank) zum Bilanzbuchhalter avanciert war, führte für die Kollektenkasse, die Einnahmen aus dem Gemeindefest und anderem eine regelrechte Buchhaltung ein und verwaltete zeitweise mit der Rentkammer zusammen den Kirchenhaushalt. Später übertrug Pfarrer Harald Wysk das Zahlenwerk in den Computer, und seit 2003 macht den Haushalt Kirchenvorstandskollege Christian Grosse. Die Kollektenkasse hat Bergsträßer erst im vergangenen Jahr in die Hände von Bernd Siersleben übergeben. Bergsträßer hat sich früh in seinem Leben zum Glauben bekannt. Als Junge hat er sogar einmal Pfarrer werden wollen, bis die Liebe zur Musik die Überhand gewann. Der inzwischen weltberühmte Dirigent Georg Solti ist übrigens Schuld daran, dass Bergsträßer nicht die Laufbahn eines Orchestermusikers einschlug: Solti hatte einen Musiker aus Bergsträßers Heimatort Stockheim nach dem Krieg nicht wieder in das Frankfurter Opernorchester aufgenommen, weil er ihm zu alt erschien. Das erlebte der junge Ludwig hautnah – und die Oper war für ihn gestorben. Er lag im Laufe seiner aktiven Jahre in der evangelischen Kirche die Ökumene besonders am Herzen. Er beteiligte sich am „Massenheimer Dreigestirn“, der engen karitativen Zusammenarbeit von evangelischer und katholischer Kirche sowie der AWO. Hier wurden Altennachmittage und Feste organisiert, nicht selten lieferte Bergsträßer mit Band oder Nachwuchsmusikern den Unterhaltungsbeitrag. Weil an Neujahr stets fast niemand in den Gottesdienst kam, erfand Bergsträßer 2002 den Neujahrsspaziergang. Anfangs waren sieben Personen dabei, zuletzt waren es 80.