Bad Vilbel. Wenn die Sandhasen in ihrem närrischen 55. Jubiläumsjahr ins Kurhaus einladen, läuft vieles einfacher als bei der ersten Neujahrssitzung im Gründungsjahr 1954. An eine Zentralheizung dachte im Gasthaus „Stadt Kassel“ damals niemand. Schließlich gab es einen Kanonenofen, der mit seinem 20 Meter langen Rohr durch den Saal für wohlige Wärme sorgte. Zudem heizten 15 der 34 Mitglieder dem Publikum mit ihren Darbietungen ein.
Weil der Narr weise ist, sorgt er vor. War es deshalb Zufall, dass als erstes Prinzenpaar Wilhelm I. (Bachmann) von Vilbella zu Brikettshalden und Prinzessin Gisela I. (Kreiling) von Liebreich zu Kreilingshausen in der Kampagne 1954/55 das närrische Zepter schwangen? Im bürgerlichen Leben war der Prinz ein tüchtiger Kohlenhändler, der am Nachmittag persönlich einige Säcke Briketts vor dem Saal ablud, damit der Ofen ordentlich brannte. Natürlich waren auch die Besucher angehalten, ein oder zwei Briketts mit zu bringen. Nach dem Heizbeitrag richtete sich auch die Höhe des Eintrittspreises. Wer Wärme schnorren wollte, hatte die Höchstgebühr von 1,50 Mark zu entrichten.
Die Neujahrsprunksitzung war nicht die einzige Veranstaltung, die die Sandhasen unter dem Ersten und Zweiten Gründungsvorsitzenden Georg Kreiling und Heinz Federolf mit Liesel Füller, Willi Adler, Heinz Deweil und Ludwig Hinkel im Vorstand während ihres ersten Jahres auf die Beine stellten. Noch im Gründungsjahr unternahmen sie einen Ausflug in den Vogelsberg, feierten ein Frühlingsfest und die Kampagneeröffnung. Nach einem Kappenabend am 22. Januar 1955 gestalteten sie eine Karnevalssitzung beim Polizei- und Schutzhundeverein in der „Stadt Kassel“, eine Kappensitzung am 13. Februar im Gasthaus „Zur Sonne“ auf dem Heilsberg und organisierten am Fastnachtssamstag, 19. Februar, den ersten Zug nach dem Krieg durch die Stadt.
Nach der Kampagne übernahm Wilhelm Bachmann den Vorsitz. In seiner Amtszeit wurden 1956/57 nach einem Entwurf von Otto Reitschmidt die ersten Elferratsmützen eingeführt, die erst 1987 durch die heutigen ersetzt wurden. Im selben Jahr wurde das erste Liederheft gedruckt, aus dem die Karnevalzeitung „Der Sandhas“ entstand. Die erste Tanzgarde unter der Leitung von Frieda Stöber (Gleichmann) wurde aus Spenden von Mitgliedern mit Landsknecht-Uniformen ausgestattet und trainiert von Johann Gabrian und Albert Horinek. Bei minus 15 Grad wurden drei Wagen des Vereins für den Karnevalszug 1956 im Freien gebaut und geschmückt. Es sollte für fast 25 Jahre der letzte Umzug sein. Vor allem endlose Kanalbauarbeiten in der Frankfurter Straße und die Geldnot der Karnevalsvereine waren die Gründe, dass erst seit 1980 mit der Rathausstürmung wieder an die alten Umzüge angeknüpft wurde.
In der Kampagne 1955/56 verlegten die Sandhasen ihre Narhalla ins Kurhaus und hatten auf Anhieb zwei ausverkaufte Prunk- und Fremdensitzungen. Darüber hinaus pflegten sie den Kontakt zu anderen Vereinen und traten sogar im Saalbau Koch in Kilianstädten auf.
Am 5. Mai 1956 fand im Kurhaus die Bezirksleiterkonferenz der Interessengemeinschaft Mittelrheinischer Karneval statt. Dort wie auch im Bund Deutscher Karneval engagieren sich die Sandhasen seit 1955. 1957/58 trat erstmals die Gesangsgruppe „Fidelios“ auf. Aus ihr gingen die „Kreppelsänger“ hervor, die sich jedoch 1994 auflösten.
Die Ehefrauen von Elferrats- und anderen Mitgliedern schlossen sich unter Minna Bauer, Minna Bachmann, Leni Kaspar und Claire Kaiser zur Gesangsgruppe „Alte Garde“ zusammen. 1995 bis zu ihrem Ende 1997 traten sie als „Crazy Girls“ auf. Ludwig Bergsträsser hatte für die Gesangsgruppen lange Jahre die Einstudierung übernommen. Noch bekannter als unter seinem echten Namen ist er als „Bodo von Monti“, der über ein Vierteljahrhundert mit seiner Band „Amigos“ aus keiner Fassenacht weg zu denken war.
Johann Gabrian übernahm 1957 den Vorsitz der Sandhasen. Er reichte das Zepter 1974 an Heinz Federolf weiter. Drei Jahre später folgte bis 1997 Vorsitzender Otmar Schreiber. In seine Amtszeit fallen die Gründungen der Kinder-, Jugend- und Damen-Tanzgruppen sowie des Männerballetts, die Einführung der Rathausstürmung sowie der Bezug des Vereinslokals „Hasenstall“ 1992. Unter seiner Regierung haben die Sandhasen 1980 auch Geburtshilfe bei den „Bodentramplern“, dem Karnevalverein in Nieder-Erlenbach, geleistet.
Seit Mitte der 80er Jahre repräsentiert das Kinderprinzenpaar der Sandhasen die Bad Vilbeler Fassenacht. Seit 1982 pflegt der Verein zu seinem Pendant im niederländischen Huizen freundschaftliche Beziehungen, die die Verschwisterung beider Städte weit überdauert. Abwechselnd besuchen sich die Narren bei ihren Sitzungen, und sogar beim Marktzug beteiligten sich die Holländer schon mehrfach mit eigenem Wagen.
1997 bis 2003 stand Harald Möcker an der Vereinsspitze. In dieser Zeit erstanden die Fidelios neu. Bei ihnen singt auch Margot Hilling, die vor nunmehr sechs Jahren den Vorsitz übernommen hat. Sie hat seit 1985 das Amt der Sitzungspräsidentin inne. Seit 1970 unterstützen Frauen die Präsidenten bei der Leitung der Sitzung. Vor Hilling saßen Inge Schröder (Federolf), Claire Kaiser und Erika Berka (Zerbst) auf der Präsidiumsbank. Ihre Partner waren Georg Kreiling, ab 1969 Heinz Federolf, ab 1980 Horst Müller, ab 1992 Frank Breuning, ab 1998 Thomas Horinek und seit 2005 Wolfgang Merk.
Unter der Vielzahl der Vortragenden finden sich sogar die Namen der Bürgermeister Georg Muth, Erich Glück und Günther Biwer. Claire Kaiser stand über 45 Jahre auf der Bühne für die Sandhasen. Unvergesslich sind auch Inge Schröder (Federolf) sowie „Knaddel und Dattel“ (Anni Zerbst und Heinz Federolf). Leni Kaspar war schon früh die Vorreiterin einer aktiven Jugendarbeit, als sie zum Prolog bei den Sitzungen viele kleine Häschen um sich versammelte. Ebenfalls herausragend war „Sandhas“ Horst H. Hilling, der die Figur vor 40 Jahren als Protokoller erfunden hat und seitdem jedes Jahr im Hasenkostüm in die Bütt steigt, um launig das Geschehen in Bad Vilbel und im Rest der Welt zu kommentieren.