Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
unter Insidern heißt es: Öffentliches Recht ist Glücksache. Der Grund ist, dass im Gegensatz zum Zivilrecht und zum Strafrecht das Öffentliche Recht nicht in einem Hauptwerk zusammenfassend kodifiziert worden ist. Durch die schiere Vielzahl der Normen und das Nebeneinander verschiedener rechtssetzender Ebenen entstehen leicht Widersprüche. Im Segmüller-Prozess hat die Stadt in der ersten Instanz einen Sieg errungen, in der zweiten leider eine Niederlage, obwohl Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr vehement für Bad Vilbel gekämpft hat.
Leider ist die Stadt nicht Grundrechtsträger für die Gewerbefreiheit. Die Gewerbefreiheit wird mit dem Urteil nämlich mit den Füßen getreten. Schon vor Jahrzehnten hat das Bundesverfassungsgericht im Apothekenurteil herausgearbeitet, dass die Gewerbefreiheit z.B. eine Bedarfsprüfung nicht zulässt. Das wird dem Markt überlassen. Das Bundesverfassungsgericht will nach seinem Grundrechtsverständnis nämlich keine gilde- oder kastenähnliche Abschottungen des Wettbewerbs, die nur zu Hochpreisen zu Lasten der Bürger und Erstarrungen führen.
Mit der unsinnigen Begrenzung des Nebensortiments auf 800 Quadratmeter schafft der Planungsverband einen Ausschluss neuer Konkurrenten im Möbelsegment. Einem deutschen Mittelständler ist es mit dieser Zahl schlichtweg unmöglich, gegen den Großkonzern IKEA anzutreten, der auf vielen tausend Quadratmetern in der Nachbarschaft sein Ramschprogramm als Lockvogel ausbreitet. Die Starrköpfigkeit unserer Prozessgegner ist besonders bemerkenswert, weil Segmüller von 5.900 Quadratmetern auf Zureden des Landes Hessen sogar auf 3.000 Quadratmeter heruntergegangen ist. Die ausgestreckte Hand wurde ausgeschlagen.
Dabei kämpfen die Befürworter des Einzelhandelskonzepts eigentlich einen Kampf aus dem vorherigen Jahrtausend. Es ist offensichtlich noch nicht angekommen, dass die Innenstädte über das Internet viel mehr bedroht werden als durch einen Möbelmarkt. Es ist auch nicht angekommen, dass der Großkonzern IKEA in Deutschland seinen Umsatz verdoppeln und weitere 20 Märkte einrichten will. Es ist auch nicht angekommen, dass die Gebrüder Samwer einen Internetvertrieb sogar für Möbel aufbauen, so dass der Druck auf den herkömmlichen Möbelhandel zusätzlich steigen wird.
Für Bad Vilbel stehen Investitionen von über 100 Mio. Euro, 500 Arbeitsplätze, hohe Gewerbesteuereinnahmen und rund 28 Mio. Euro Grundstückserlös auf dem Spiel. Es wird jetzt vor allem darauf ankommen, wie die Familie Segmüller den unerwarteten Prozessausgang bewertet. Wenn die Familie Segmüller weiter zu dem Projekt steht, wird sich die Stadt vermutlich nicht in die Büsche schlagen können.
Es grüßt sie herzlich
Ihr Magistrat der Stadt
Bad Vilbel