Bad Vilbel/Karben. Manche haben es geahnt – die Experten haben konkrete Erkenntnisse: In diesen Krisenzeiten trinken mehr Leute mehr Alkohol. »Die Probleme kommen später«, ahnt einer, der es wissen muss. Der Sucht- und Drogenberater für Bad Vilbel und Karben, Lutz Illhardt, hat nun Daten und Fakten vorgestellt. Und in den Statistiken steht der Alkohol ganz oben.
Keine Frage: Infolge der Corona-Pandemie sind viele Menschen in einer Krise. Die Angst vor dem Virus, aber auch Kurzarbeit oder gar Arbeitslosigkeit – die Probleme sind vielfältig. Eine Studie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim in Kooperation mit dem Klinikum Nürnberg hat im Juli gezeigt, dass der Alkoholkonsum bei rund einem Drittel der Erwachsenen seit Beginn der Krise gestiegen ist. 35,5 Prozent der mehr als 3000 Teilnehmenden haben bei einer anonymen Online-Umfrage angegeben, während der Pandemie »mehr oder viel mehr Alkohol« getrunken zu haben als zuvor.
Im Lockdown wird mehr verzockt
Zwar konnten Drogen- und Suchtberater Lutz Illhardt und Hans Peter Krämer, der die Jugendberatung und Jugendhilfe im Wetteraukreis leitet, keine konkreten Zahlen für die Region vorlegen. Aber ihre Beobachtung in den vergangenen Wochen deckt sich durchaus mit den Erkenntnissen der Forscher. »Der Alkoholkonsum ist teilweise sehr hoch«, sagt Illhardt. Und Krämer ergänzt, dass sich unter Umständen noch eine ganz andere Suchtproblematik verstärken kann. »Die Leute haben im ersten Lockdown wesentlich mehr gespielt.« Sei es das Zocken am Automaten oder online.
Beide sind ins Bad Vilbeler Rathaus gekommen, wo der Berater der Suchthilfe und Suchtprävention für Bad Vilbel und Karben seinen jährlichen Bericht präsentiert hat. Danach ist der Alkohol die stärkste Drogen unter allen. 46 Prozent der 129 in der südlichen Wetterau beratenen Personen griffen so häufig zu Bier, Wein und Schnaps, dass sie süchtig geworden oder bei Polizeikontrollen aufgefallen sind. Cannabis folgt mit 32 Prozent mit weitem Abstand. Opiate, Kokain oder Amphetamin spielen mit Werten von zwei und neun Prozent eine untergeordnete Rolle. Lediglich vier Prozent der Klienten ließen sich wegen pathologischen Spielens beraten.
Insgesamt führte Illhardt im vergangenen Jahr 504 Beratungsgespräche. Die meisten Süchtigen gab es in den Altersgruppen von 18 bis 21 Jahren, zwischen 27 und 34 Jahren sowie von 35 bis 54 Jahren.
Enttäuschend findet Illhardt, dass nur sehr wenige Angehörige in seine Sprechstunden in den beiden Städten gekommen sind, nämlich gerade mal zehn. Erfreulich hingegen, dass 66 Prozent zu allen Beratungsterminen erschienen seien. 23 Prozent der Klienten seien in andere Einrichtungen vermittelt worden, nur elf Prozent hätten abgebrochen.
Keine Vorfälle bei der Dortelweiler Kerb
Die Hälfte der Stelle gilt diesen Beratungen, die andere Hälfte der Prävention. Dazu listet Illhardt in seinem Bericht eine Reihe von Veranstaltungen auf. So ist er, teilweise mit Polizei- und Ordnungsbehördenbegleitung, beim Bad Vilbeler Markt ebenso anwesend gewesen wie beim Karbener Weihnachtsmarkt. An den Schulen veranstaltet er regelmäßig das Programm »Cool sein – cool bleiben« und setzt Suchtprävention für Auszubildende um.
Man darf gespannt sein, wie Illhardts Bericht über 2020 ausfällt, denn es fand dieses Jahr kaum eine Veranstaltung statt. Bei krisenbedingter Steigerung des Alkoholkonsums könnten sich aber mehr Klienten in den Beratungsstellen einfinden. (pe)