Der Wochenspruch zum Sonntag gehört zu den gern zitierten Aussagen des Alten Testamentes. Er ist vielen Menschen an besonderen Anlässen ihres Lebens – z. B. der Taufe – mit auf den Weg gegeben worden: „Jetzt aber sagt der Herr, der dich ins Leben gerufen hat, Volk Israel, du Nachkommenschaft Jakobs: „Fürchte dich nicht, ich habe dich befreit! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst mir! “
Heute wird dieser Bibelvers ohne den Adressaten, das Volk Israel, zitiert. Im Sinne des persönlichen Zuspruchs ist dies nachvollziehbar. Weniger nachvollziehbar werden jedoch der ursprüngliche Aussagegehalt und die Geschichte, die sich dahinter verbirgt. Das Volk Israel hatte damals den Verlust seiner Eigenständigkeit und die Verschleppung in die Fremde erleiden müssen. Solch eine schmerzliche Erfahrung hat den Glauben des Volkes erschüttert. Was kann noch von einem Gott erwartet werden, der sein Volk offensichtlich den Feinden als Beute überlässt? Gibt es unter den neuen Lebensumständen noch einen Grund, an dem vertrauten Glauben festzuhalten?
In diese existenziellen Fragen hinein meldet sich der lebendige Gott zu Wort. Und heute wissen wir, dass es kein leeres Versprechen Gottes geblieben ist. Das Volk der Juden ist damals wirklich erlöst worden aus der Fremde und konnte zurückkehren. In der alten Heimat konnte es einen Neuanfang gestalten. Gott hat seinem Volk die Treue gehalten und hat es befreit.
Ähnliche Fragen wie damals das Volk Israel kann man sich auch heute noch stellen. Vielleicht gab es da mal einen Anfang mit Gott, die Taufe, ein christliches Elternhaus, Menschen, die für einen gebetet haben. Doch die Erfahrungen des Lebens haben womöglich diesen Glauben in Frage gestellt. Von Gott meint man, für das Leben nichts mehr erwarten zu können. Wie wir Menschen es mit Gott halten, ist häufig sehr stark von den jeweiligen Lebensumständen abhängig. Nicht so bei Gott! Seine Beziehung zu uns Menschen unterliegt keinen Schwankungen. Sein Wort unterstreicht in aller Deutlichkeit seine Treue zu uns: „Fürchte dich nicht, ich habe dich befreit! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst mir!“
Dieser Ausspruch Gottes ist nicht nur eine Zusage. Es ist gleichzeitig eine Einladung, die zugesagte Befreiung anzunehmen und dem Ruf zu folgen. Gott hat durch seinen Sohn Jesus Christus seine Einladung nicht nur unwiderruflich bestärkt. Durch Jesus Christus sind alle Menschen eingeladen, die von Gott erwirkte Befreiung zu erfahren. Eine Befreiung von Sorgen und Ängsten. Eine Befreiung von allen Zweifeln, ob es da jemanden gibt, der mir durch alle Höhen und Tiefen des Lebens treu zur Seite steht. Auch eine Befreiung von allem Selbstzweifel, ob mein Leben Sinn und Erfüllung hat. Kurz: Eine Befreiung zu einem neuen Leben. Gott sei Dank, dass es durch ihn solch eine Befreiung gibt.
Pastor Clemens Breest
Freie ev. Gemeinde Bad Vilbel