Bad Vilbel. Die Niddarenaturierung in Gronau ist abgeschlossen. „Die Bagger erledigen nur noch kosmetische Restarbeiten,“ betont der mit der Planung und Bauleitung beauftragte Bad Vilbeler Gewässerökologe Gottfried Lehr. Nicht ohne Stolz präsentierte er Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr als erstem sein fertiges Werk.
An Stelle eines 2700 Meter langen, schmalen Fluss-Kanals gibt es heute ein rund 3000 Meter langes, weitgehend neues, breites Flussbett zu bestaunen. Von den ehemaligen Steinbefestigungen an den Ufern ist nichts mehr zu sehen. Die Hochwasserdämme sind von den Ufern weit zurückverlegt. „Das verbessert den Hochwasserschutz,“ erläutert Lehr und zeigt auf die kleinen und größeren Inseln im Flussverlauf.
„Ich bin nur der Rohbauer,“ sagt Lehr. „Das Wunder der Natur wird sich von selbst entfalten. Man muss nur die Natur machen lassen. Versuchte es der Mensch, wäre er gar nicht in der Lage, die Schönheit und die Vielfalt des Lebens wieder herzustellen“, sagt Lehr. Ein schönes Beispiel hierfür, so Lehr weiter, sei die Entwicklung des vor neun Jahren unter seiner Leitung renaturierten Niddaknies in Dortelweil, an das die nun fertiggestellte Renaturierung anschließt.
Die Entstehung eines Stechmückeneldorados sei nicht zu befürchten. Biologen haben die einzelnen Renaturierungsschritte begleitet und für ein natürliches ökologisches Gleichgewicht gesorgt. Die nur über schmale Dämme erreichbaren, teils großflächigen Inseln werden der Tierwelt Rückzugsgebiete schaffen, in denen der Mensch sie nur wenig stören kann. Kiesbänke und magere Rasenflächen werden den einstmals heimischen Reptilien wieder Lebensräume bieten. Sumpfschildkröten und die ungiftigen Blindschleichen und Ringelnattern werden wieder kommen, fasst der Gewässerökologe zusammen.
Wo vor wenigen Monaten noch landwirtschaftliche Maschinen im Einsatz waren, werden künftig das ganze Jahr über Rinder und Pferde weiden und eine Verbuschung des Landes zwischen Hochwasserdamm und Fluss verhindern. In wenigen Jahren werde entlang der Nidda ein „Galeriewald“ entstehen und den Fluss wie ein guter Freund begleiten. Seine Schatten werden die Nidda kühl halten. Eine vielfältige Vogelwelt wird hier eine neue Heimat finden, sagt Lehr voraus. Biber werden sich ansiedeln und ihre Familien gründen. Auch der Fischotter?
Der Otter wird im Laufe der Zeit auch kommen, ist Lehr überzeugt. Der Gewässerökologe ist von seinem Werk begeistert. „Etwas Vergleichbares dürfte in Deutschland kaum zu finden sein,“ betont er. In wenigen Jahren werden mitten im Ballungsraum Rhein-Main ein Paradies von etwa 400 000 qm Größe entstanden sein.
Lehr weiß, wovon er spricht. Er war von Anbeginn immer dabei. Bereits die ersten, von der Firma Hassia Sprudel in Bad Vilbel angestoßenen und finanzierten Schritte standen unter seiner Obhut. Im Lauf der Zeit sind immer größere gefolgt. Was Ehrenstadtrat Klaus Minkel als Umweltdezernent und Ehrenbürgermeister Günther Biwer am Herzen lag, habe sich Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr ebenfalls auf seine Fahne geschrieben, sagt Lehr. Ohne die massive Unterstützung durch die Stadt seien derartige Maßnahmen undenkbar.
Das private „Öko-Sponsoring“ hat in Bad Vilbel eine lange Tradition, freut sich Lehr. Sie finde in diesem von der Gerty-Strohm-Stiftung getragenen Projekt einen Höhepunkt. Zirka 300.000 Kubikmeter Erde seien ausgehoben und wieder eingebaut worden. Würde man Kubikmeter hinter Kubikmeter gesetzt haben, gäbe es einen 300 Kilometer langen Erdwurm zu beäugen. Um anschauliche Bilder ist Lehr nicht verlegen, wenn er die Größe seines Werks beschreibt.
In seinem Dank an Lehr wies Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr darauf hin, dass bereits im November der Auftrag für den Bau des neuen Radweges von der Gronauer Brücke bis nach Karben vergeben werden könne. In Absprache mit ihm werde der hinter Gronau flussabwärts geplante große Teich aus Sicherheitsgründen erst im Sommer des kommenden Jahres gebaut werden. „Die Stadt Bad Vilbel dankt allen, die an diesem großen, in seinen Dimensionen kaum zu ermessenden Projekt mitgewirkt haben,“ sagte der Rathauschef und bilanziert: „Bad Vilbel hat seine führende Position im Umweltschutz weiter ausgebaut.“ (sam)