Karben. „Mach mal die Augen zu, dann klingt er wie Schröder“, empfahl der Kollege vorher. Er hat nicht ganz unrecht. Doch zumindest äußerlich trifft der SPD-Kanzlerkandidat die Erwartungen nicht. Trotz tropischer Hitze – sein Jackett legt Frank-Walter Steinmeier im Bürgerzentrum nicht ab. Krempelt sich auch nicht die Ärmel des weißen Hemdes hoch.
Steinmeiers Rede ist kämpferisch. Er will heraus aus der Defensive. „Lassen Sie sich nicht verunsichern von den Umfragen von Gestern.“ Die prognostizieren nur etwas mehr als 20 Prozent. Er habe, sagt Steinmeier, in den vergangenen Woche bei den Reisen durchs Land eine andere Stimmung gespürt. „Da bewegt sich was, da geht sehr viel.“
In der Defensive steckt auch Bundestagsabgeordnete Nina Hauer aus Rendel. Dreimal schon gewann sie im Wahlkreis Wetterau ihr Direktmandat. Das muss sie beim vierten Mal verteidigen, hat ihr die eigene Partei doch wegen ihrer Nähe zum Parteirebellen Jürgen Walter einen aussichtsreichen Listenplatz verwehrt.
„Sie können stolz sein auf diese Abgeordnete“, lobt Kandidat Steinmeier die Kandidatin Nina Hauer. Sie steht fröhlich lächelnd am Nebentisch. „Nina ist jemand, der sich richtig reinhängt für die Wetterau.“ Und für die Genossen. Als Obfrau im Untersuchungsausschuss zur HRE-Bankenpleite.
Mit stehenden Ovationen wird der Außenminister empfangen. Auch wenn er fast eine Dreiviertelstunde verspätet eintrifft. Er steht noch am Anfang seines Wahlkampfmarathons. Einige Male verhaspelt er sich. Doch er polarisiert: Die Wahl am 27. September sei eine Richtungsentscheidung. „Ob es künftig fair, gerecht und tolerant zugeht.“ Soziale Politik gebe es mit Schwarz-gelb nicht, nur mit der SPD, dem „Original“. Bildung und erneuerbare Energien statt Massenarbeitslosigkeit wolle die SPD. Steuersenkungen? „Unverantwortlich!“ Mit dem Deutschlandplan habe die SPD ein Konzept für die Zeit nach der Wirtschaftskrise vorgelegt. Von der Union gebe es dazu nichts.
„Klingt ein bisschen wie eine Schröder-Imitation“, findet CDU-Fraktionschef Mario Beck. Dass Steinmeier komme, sei schon eine Ehre. „Das zeigt, wie wichtig Karben ist.“ Genosse Helge Gottschalk aus Kloppenheim steht nach der gut 30-minütigen Rede am Rande. Ambitioniert seien Steinmeiers Vorstellungen. Aber er mache Mut. Gut für den Wahlkampf. (den)