Mit Spannungselementen eines Krimis und viel Gespür für genaue Charakterisierungen der unterschiedlichen Figuren brachte Regisseur Harald Demmer Carl Zuckmayers Drama „Des Teufels General“ auf die Burgfestspielbühne.
Bad Vilbel. Der Schlussbeifall kam etwas zu schnell bei der Premiere am Samstagabend. Dem ernsten Thema und dem dramatischen Schluss wären durchaus noch einige Sekunden nachdenklicher Stille angemessen gewesen.
Dabei hatte Regisseur Harald Demmer keineswegs eine schwermütige oder moraltriefende Inszenierung geliefert. Vielmehr hat das Ensemble den Stoff um Verstrickung in politische Verbrechen, um persönliche Schuld und Verantwortung gezeigt, ohne in Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen.
Spitzel und Saboteure
Demmer folgt damit Zuckmayers Intention, mit dem Drama weniger das Wesen des Nationalsozialismus erörtern zu wollen, als vielmehr unterschiedliche Charaktere in ihren Widersprüchlickeiten zu skizzieren. Es gibt den fanatischen Nazi, den bedenkenlosen Spitzel, den vormals überzeugten Hitlerjungen, der durch die Erlebnisse als junger Soldat vom Nazi-Glauben abfällt. Des Weiteren die alle Zweifel verdrängende Frau des Kampffliegers, die erst nach dem Tod ihres Mannes zu Bewusstsein kommt. Im Gegensatz hierzu steht ihre jüngere Schwester, die sich von einer pubertär auftretenden Wichtigtuerin zur karrieregeilen Nazisse mausert. Nicht zu vergessen zwei Opportunisten, die ihre Zweifel schnell hinten anstellen, wenn der eigene Vorteil ins Spiel kommt. Schließlich die sich als unpolitisch missverstehenden Flieger um General Harras sowie der sich für den Widerstand entscheidende Saboteur.
Die Handlung spielt 1941 als auf die „Blitzkrieg“-Erfolge der Wehrmacht erste Rückschläge folgten. General Harras ist für die Weiterentwicklung der Kampfflugzeuge zuständig. Als es vermehrt zu Abstürzen kommt, wird er verdächtigt, Saboteure zu decken. Er selbst vermutet, dass ihm etwas untergeschoben werden soll, weil er nicht an den Erfolg des bevorstehenden Krieges gegen die Sowjetunion glaubt und auch sonst mit großer Klappe gegen die offizielle Propaganda zynisch stichelt. Eigentlich will er „aussteigen“ und sich mit seiner neuen Liebe ins Ausland absetzen. Dann stirbt ein guter Freund bei einem Absturz.
„Entschuldigung – gibt es keine.“ Fliegergeneral Harras hat sich von Anbeginn seiner militärischen Karriere im Dritten Reich keine Illusionen gemacht über die Absichten des Regimes. Als begeisterter Flieger und Veteran des 1. Weltkrieges wollte er jedoch bei einem erneuten Luftkrieg als machtbewusster Mann eine Rolle spielen, obwohl er die Nazi-Größen und ihre Anhängerschaft geradezu verachtet. Er meint, er habe die Wahl gehabt im Ausland als Mahner vor dem Nazi-Reich als Zirkusclown wahrgenommen zu werden oder als General seine Leidenschaft als Flieger weiter verfolgen zu können. Erst spät bemerkt er, dass er doch nicht über die Rolle einer Marionette hinauskommen wird. Zum Schluss übernimmt er, trotz neuer Liebe und dem „großen Bedürfnis, noch zu leben“ Verantwortung, liefert die Sabotage betreibenden Widerständler nicht ans Messer, sondern bestärkt seinen Gegenspieler, in deren Glauben, dass er, Harras, der Saboteur sei.
Kein edler Held
Seinen „Abgang“ wählt Harras dann aber noch „auf meine Weise“: Er fliegt mit einer der fluguntauglichen Maschinen in den Tod. Die hierzu eingeblendete Video-Aufzeichnung läuft auf einer Leinwand auf der Bühne unter einem Banner, auf dem in Frakturschrift „Freiheit“ steht.
„Arbeit“, „Macht“, „Freiheit“, lauteten zu Beginn des Dreiakters die Überschriften auf den von Oliver Kostecka erstellten drei Bühnenteilen. Mit dem Ende der ersten Akte verschwinden die zwei ersten Losungen, bis nur noch die „Freiheit“ übrig bleibt – die für Harras die Wahl des Freitodes bedeutet.
Harras ist kein edler Held. Er gröhlt begeistert antisemitische Liedzeilen mit, will aber auch ihm bekannte Juden retten. Schauspieler Tobias Lehmann lässt schnell durchblicken, dass das Draufgängertum seines Harras schon sehr brüchig ist und er im Grunde resigniert hat. Mit kaltem Fanatismus stattet Andreas Krämer den Kulturleiter Dr. Schmidt-Lausitz aus, der die Aufgabe der Kultur in der „totalen Mobilmachung der deutschen Seele“ sieht. Danielle Green spielt die mit rigorosem Aufstiegswillen ausgestattete Waltraud von Mohrungen, genannt Pützchen.
Hans-Jörg Frey und Antonio Lallo spielen Opportunisten aus Wirtschaft und Außenministerium. Björn Geske ist der kumpelhafte Harras-Chauffeur Korrianke. Christian Higer gibt im ersten Akt den charmierenden Restaurantbesitzer Otto und im dritten den aus Scham über die Verbrechen des deutschen Staates zum Widerständler gewordene Saboteur Oderbruch („Ich habe keinen Bruder im KZ und bin auch nicht in eine Jüdin verliebt“). Natalie Forester spielt die Witwe des Oberst Eilers (Tilmar Kuhn), die Harras vorwirft, dass er ihren Mann in dem Glauben für eine gute Sache zu kämpfen bestärkt und in einen „falschen Tod“ geschickt hat, während er selbst an nichts glaubte, aber immer mitmachte.
„Nichts“, wiederholt Harras die einsilbige Antwort von Anne Eilers auf seine Frage, was sie von ihm sagen würde, wenn er tot sein wird. „Nichts. Geht in Ordnung“, fährt er tonlos fort. „Nichts. Geht in Ordnung“. Diese kurzen Feststellungen direkt hintereinander gefügt wirken in ihrer Mehrdeutigkeit nach. Mehr noch als Harras’ persönliches Resümee am Schluss: „Wer auf Erden des Teufels General wurde und ihm die Bahn gebombt hat – der muss ihm auch Quartier in der Hölle machen.“
„Des Teufels General“ steht noch bei elf Vorstellungen auf dem Spielplan. In diesem Monat vom 16. bis 19. Juli täglich ab 20.15 Uhr.