Mit einem zweitägigen Programm auf der Kulturbühne wurde das Quellenfest bunt und international. Von heimischen Tanzvorführungen bis zu Auftritten von Flüchtlingen reichte das gut besuchte Angebot. Dazu steuerten die Migranten auch kulinarisch einiges bei.
Bad Vilbel. Immer schneller werden die Rhythmen. Die vier Männer auf der „Bühne der Kulturen“ auf dem Niddaplatz tanzen sich fast in Ekstase. Doch Najibullah, Said, Firooz und Fawad sind keine Bühnenprofis, sondern afghanische Flüchtlinge aus dem Georg-Muth-Haus auf dem Heilsberg. Während sie einen traditionellen Erntetanz und einen Schwerttanz aufführen, singen ihre Landsleute im Publikum mit Elan die Liedtexte.
Später bittet Pfarrer Sören Sommer, einer der Hauspaten im Georg-Muth-Haus, weitere Freiwillige auf die Bühne. Die Idee zu dem Auftritt sei bei einem Treffen entstanden, erinnert er sich. Das mit dem Tanz sei in Ordnung, habe er entgegnet: „Aber Ihr müsst das alles selbst organisieren.“ Said, der Schneider, habe sein Kostüm selbst genäht. Nach sechs Proben stand die Show. Auch sprachlich.
Najibullah begrüßt das Bad Vilbeler Publikum mit den Worten: „Ich kann nicht perfekt deutsch sprechen“, auch wisse er noch nicht viel über das Quellenfest – aber da feierten Kinder und Erwachsene zusammen und es gehe um Wasser, das aus der Erde komme und sich bewege, so wie die Menschen in Bewegung seien.
Ursprünglich habe hinter der Kulturbühne die Idee gestanden, dass sich die Vereine mehr ins Quellenfest einbringen sollen, erklärt Organisator Kurt Liebermeister vom Verein Stadtmarketing. Aber nun lobt er „diese Buntheit der Kulturen, der Folklore und des Essens“. Sie sind hier Teil einer kulturellen Meile. Die Flüchtlingshilfe hat einen Stand. Nebenan verkauft der türkisch-islamische Moscheeverein Lahmacun. Der Ausländerbeirat kredenzt Fleisch-Sauerkraut-Eintopf.
Auf der Bühne geht es derweil sehr vielseitig zu. Die jungen Mädchen der Tanzschule Bäppler-Wolf zeigen Formationstänze zu lautem Hip-Hop-Sound. Anne Gegenmantel, die Bad Vilbeler Europa- und Weltmeisterin im Stepptanz, zeigt einen keltischen Tanz, davor verzaubern die Damen des vietnamesischen Kulturvereins Rhein-Main mehrere hundert Zuschauer. Aber auch Flamenco, Rap von Schülern der Europäischen Schule und Musical Dance vom SV Fun-Ball Dortelweil waren zu erleben. Offenbar ist das Konzept aufgegangen: die anderen Kulturen nicht mit einer Extraveranstaltung auszugrenzen, sondern sie mitten in die Stadt zu holen. „Integration funktioniert nur so“, betont Liebermeister.
Vier Hauspaten der Flüchtlingshilfe erzählen einzelne Fluchtgeschichten. Vorsitzende Angelika Ungerer berichtet über einen 48-jährigen Bauingenieur, der nach vier Kriegsjahren aus dem syrischen Aleppo geflüchtet ist. Zuletzt wurde seine älteste Schwester beim Brot holen erschossen. Über die Türkei gelangte er zum Mittelmeer, das Schlepper-Boot: überladen, 50 statt zehn Menschen an Bord. Vor der griechischen Grenze verliert es Luft, er und andere Männer steigen aus, klammern sich drei Stunden an den Bootsrand, bis die Küstenwache sie aufgreift.
Yvonne Keller, eine Dortelweiler Hauspatin, schildert, wie ihr Engagement entstand. Erst half sie bei der Essensausgabe im mittlerweile wieder geschlossenen Erstaufnahmelager in der Brunnenschule, dann habe sie Spiele für die Kinder mitgebracht und so auch Kontakt zu den Eltern geknüpft. Hartmut Schröder berichtet von einem inzwischen 21-jährigen Eritreer, dem die Christuskirche fünf Monate Kirchenasyl geboten habe. Inzwischen laufe sein Asylantrag, er spreche sehr gut Deutsch und hilft dem Verein als Dolmetscher. (dd)