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Bissig, frech, frivol

Vielen Theaterbesuchern gilt „Charleys Tante“ als die „Mutter aller Boulevardkomödien“ und mit einer modernen Inszenierung dieses englischen Possenstücks werden die diesjährigen Burgfestspiele Bad Vilbel am 5. Juni offiziell eröffnet (nach Redaktionsschluss). Bereits Mitte Mai startete die Sparte „Theater für Kinder“.

Bad Vilbel. Wenn in „Charleys Tante“, dem vor mehr als 120 Jahren von Brandon Thomas geschriebenen Theaterstück, ein Mann in Frauenkleider schlüpft, hat das nichts mit heutigen Travestie-Shows und Love-Parade-Umzügen zu tun. In den Inszenierungen, die sich wie auch viele Verfilmungen (Stichwort Heinz Rühmann und Peter Alexander) am Originaltext orientieren, fiel dies aus heutiger Sicht immer sehr bieder und harmlos klammotik aus.

So ähnlich hat mutmaßlich auch Regisseurin Adelheid Müther, die nun im vierten Jahr mit einer Komödieninszenierung die Vilbeler Freilichtspiele eröffnet, vor gut zwanzig Jahren das Stück bereits einmal auf die Bühne gebracht. Zumindest will sie nicht weiter davon sprechen und auch nicht verraten, an welchem Theater dies geschah.

Unverschämte Satire

Aber, Männer in Frauenkleidern spielen zu lassen, „finde ich generell toll“, bekräftigt sie kurz vor der Bad Vilbeler Premiere. Die Stoßrichtung werde auch ganz anders ausfallen als in den älteren Inszenierungen und Verfilmungen. Zunächst wurde als Textgrundlage die freie Bühnenbearbeitung von Arthur J. Newfield gewählt. Das Stück sei „nun kein Gartenlaubenscherz mehr, kein viktorianischer Studentenulk, sondern eine frivole, bissige Satire“, sind sich Adelheid Müther und Dramaturgin Ruth Schröfel einig. Die feine englische Gesellschaft werde in ihrem Dünkel lächerlich gemacht, „und während Charleys Tante als erotischer Wirbelwind zwei jungen Damen und einer Witwe sowie zwei älteren Herren die Köpfe verdreht, hört man in der Ferne das verdächtige Knistern im Gebälk des britischen Empire“ – so die Zusammenfassung aus dem Festspielbüro.

Der Ausgangspunkt der Handlung bleibt beibehalten: Zwei Studenten suchen für ein Treffen mit ihren Auserwählten eine Anstandsdame, damit der Ruf gewahrt bleibt. Ein anderer Student muss die Rolle der verhinderten Tante aus Brasilien übernehmen. Die taucht dann irgendwann doch noch auf und trägt zur Steigerung der Verwirrnisse und der chaotischen Entwicklungen bei.

Schauspieler Wolfram Boelzle, der den Butler spielen wird, hat beide „Tante-Charley“-Fassungen gelesen und findet ebenfalls, dass die Neubearbeitung von Newfield „eindeutig bissiger und unverschämter“ daherkommt. Damit stimmt auch Till Frühwald überein, der als „die Tante“ zu sehen ist. Es sei schon ein ganz anderes Körpergefühl, in Stöckelschuhen und Frauenkleidern sich bewegen zu müssen. „Dann rutscht auch ganz automatisch gleich die Stimmlage etwas höher“, beschreibt er seine Erfahrungen.

Ausgesprochen angenehm empfinden die beiden Schauspieler, die erstmals in Bad Vilbel zum Ensemble gehören, die Reaktionen der Bevölkerung. Im Bistro und auf der Straße sei man ihnen nur mit positiven Reaktionen begegnet. „Da ist ein Identifikationspotenzial, das ich von anderen Spielorten nicht kenne“, lobt Wolfram Boelzle. Dass die Beliebtheit der Quellenstädter Festspiele sich auch in Frankfurt herumgesprochen hat, bestätigt Till Frühwald. Seine dortige Verwandtschaft komme regelmäßig in die Burg. Auch für diese Saison habe sie schon Karten gebucht, als noch gar nicht die Rede davon war, dass er mitspielen werde.

Nächste Vorstellungen von „Charleys Tante“ in der Burg: 6. und 7. Juni, 23. bis 25. Juni sowie weitere im Juli und August. Eintrittskarten (zwischen 18 und 38 Euro) gibt es im Klaus-Havenstein-Weg 1, Telefon (06101) 558455, oder per online-Buchung unter www.kultur-bad-vilbel.de.