„Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater“ – so heißt es im Matthäusevangelium (6,5) in der Bibel. Beten ist keine Sache für die Öffentlichkeit! Jesus wendet sich mit dieser Aussage gegen öffentliche Beter vor den Synagogen oder vor dem Tempel in Jerusalem, die wohl recht theatralisch ihren Glauben nach außen getragen haben. Und er hat ja recht: Gebet ist die persönliche Zwiesprache zwischen mir und Gott. Das geht sonst keinen etwas an.
In islamisch geprägten Ländern erleben wir es ganz anders: Beispielsweise bei den großen Demonstrationen seit Beginn des Jahres beten Tausende öffentlich auf den großen Plätzen von Kairo, Bengasi und anderswo. Tatsächlich ist das eine andere Gebetspraxis, die einige in unseren Breiten irritiert: Der zitierte Vers des Evangeliums ist in unserer Glaubensgeschichte wichtig geworden für die Herzensfrömmigkeit des Christseins: In meinem Herzen trage ich meinen Glauben und trage ihn nicht nach außen. „Glaube ist Privatsache“ hieß es mehr und mehr im aufgeklärten Europa.
So richtig und so wichtig dies für das persönliche Gebet ist, so verkürzend ist es aber für das Christsein als Ganzes: Der christliche Glaube nimmt die Welt ernst und stellt uns Menschen mitten in sie hinein. Der Auftrag der Nächstenliebe ebenso wie der Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung und zum Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit haben unmittelbar mit der Welt zu tun. Wer so als Christin und Christ leben will, der kann sich nicht ins „stille Kämmerchen“ zurückziehen. Christen sind in die Welt gesandt. Gelebtes Christsein ist immer öffentlich!
Ich finde es gut, wenn dies ab und an auch exemplarisch deutlich wird. Das gilt zum Beispiel für Gottesdienste mitten in der Stadt bei Gemeindefesten, dem Vilbeler Markt oder zum Erntedank. Das gilt, wenn Jugendliche eine Woche in einem ehemaligen Geschäftsraum in der Frankfurter Straße leben und dort zu Andachten einladen. Das gilt für eine Fronleichnamsprozession auf den Straßen der Stadt. Das gilt auch für ein Zeltlager wie das „Heavens Camp“ auf den Burgparkwiesen, wie es an diesem Wochenende wieder in Bad Vilbel stattfindet. All das sind Zeichen, dass gelebtes Christsein immer mitten in der Welt stattfindet – in erster Linie im liebevollen Handeln, aber exemplarisch auch beim öffentlichen Feiern des Glaubens. Keine Frage: Wenn der Glaube nicht mein Herz erreicht, kommt er nicht wirklich bei mir an. Aber er darf auch nicht im Herzen versteckt bleiben!
Herzliche Grüße, Ihr
Pfarrer Klaus Neumeier,
Ev. Christuskirchengemeinde
Bad Vilbel