Bad Vilbel. Nach 44 Jahren werden im alten Stellwerk am Nordbahnhof bald die letzten Tasten gedrückt. In der Nacht zum Sonntag, 30. September, geht das neue digitale Stellwerk ans Schienennetz. Von dort wird künftig der gesamte Bahnverkehr zwischen Dortelweil und Eschersheim überwacht. Die 26 Millionen Euro teure Baumaßnahme sei erforderlich gewesen, weil die alte Anlage nicht mehr erweiterbar sei, erklärt Bahn-Pressesprecher Torsten Sälinger. Täglich passierten 300 bis 320 Züge die 13 Kilometer lange Ausbaustrecke. Der Neubau sei eine Voraussetzung für den viergleisigen Ausbau der S-Bahn-Strecke. Dagegen werde noch vor dem Eisenbahnbundesamt Kassel geklagt. Wenn das Verfahren in diesem Jahr beendet würde, könnte 2008 mit dem Ausbau begonnen werden.
Bereits im August 2006 erneuerte die Bahn die Signaltechnik zwischen Ginnheim und Groß-Karben. „Unter dem Rad“, also bei laufendem Bahnbetrieb, wurden 60 Kilometer Kabel und 15 Kilometer Kabelkanäle verlegt. 58 Signale und 25 Weichenantriebe kamen hinzu.
Bahnfahrer können die neue Technik entlang der Strecke rasch erkennen: Die noch nicht frei geschalteten Anlagen sind mit großen weißen Kreuzen als inaktiv gekennzeichnet. In der Nacht der Umstellung werden 60 Mitarbeiter die kompletten Alt-Anlagen demontieren und die neuen in Betrieb nehmen. Eine Bahnreise kann unmerklich zur Zeitreise in die Technik-Geschichte werden. So gebe es in Gießen ein Stellwerk noch aus dem Jahr 1906, das reibungslos mit neueren Anlagen kommuniziere, schildert Sälinger. Die 60er Jahre werden lebendig, wenn man die Linoleum-Stufen des alten Stellwerk-Turms nimmt. Dort hält Gerdpeter Seipel seit 1991 die Züge auf Kurs. Auf einem Schaltpult markieren rote Leuchtstreifen die Züge, dunkle Linien die Gleise. Um einen Abschnitt freizugeben, muss er zwei Knöpfe am jeweiligen Streckenende drücken. Wenn keiner das Knöpfchen drückt, bleiben die Signale auf Rot stehen.
Ein paar Meter weiter, im ebenerdigen Neubau des digitalen Stellwerks rückwärts der Aral-Tankstelle, sieht es nach aufgeräumter Hightech aus. Auf Bildschirmen muss Stellwerker Jürgen Röse auch das Live-Geschehen an Bahnübergängen im Eschersheimer Lachweg und der Berkersheimer Bahnstraße kontrollieren. Ein halbes Jahr Schulung liegt hinter ihm. Er betont, die neue Technik erleichtere seine Arbeit, sei „nach einer Einübungsphase“ auch übersichtlicher. Drei Mausklicks genügen, um einen Zug auf Kurs zu bringen. Hightech auch im Serverraum: Gleich drei sich gegenseitig kontrollierende Systeme laufen dort parallel, um jederzeit Betriebssicherheit zu gewährleisten, erläutert Betriebsleiter Klaus Müller.
Wegen der Umstellung wird in der Nacht zum 30. September der Bahn-Betrieb zwischen Frankfurt-West und Friedberg komplett eingestellt. Ein Ersatzverkehr mit Bussen wird eingerichtet.