Bad Vilbel. Noch im Sommer war Claus Fischer zuversichtlich. Der Hessol-Chef wollte auf seiner 4500 Quadratmeter große Hofreite am Dortelweiler Chausseehaus (Friedberger Straße) eine Seniorenwohnanlage bauen. Ein erster Vorstoß endete vor dem Verwaltungsgericht Gießen, weil die Vilbeler Stadtregierung das Vorhaben dort nicht wollte.
Die Verwaltungsrichter ebneten den Weg zu einem Kompromiss. Signalisierten, eine Bau-Ablehnung sei rechtswidrig. Ein Vergleich wurde vorgeschlagen, den der CDU-geführte Magistrat wiederum ablehnte. Doch dann plötzlich schwenkte die Stadt um. Im Juni gab es eine Info-Veranstaltung. Alle Gebäude bis auf die denkmalgeschützte Hofreite sollten abgerissen werden. In dem alten Gebäude sollte Gastronomie einziehen, dahinter ein Pflegeheim und betreutes Wohnen.
Kein Mischgebiet
Was nun? „Das würde ich auch gerne wissen“, sagt dazu Claus Fischer. „Ich habe seither nichts mehr von der Stadt gehört.“ Es habe eine Planungsänderung geben sollen. „Meine Pläne stehen nach wie vor“, betont Fischer. Bei dem auf 15 bis 20 Millionen Euro geschätzten Projekt sollte ein Altenheim mit 100 Betten und ein Restaurant mit Café entstehen. Ob er selbst Bauherr oder Bauträger sein wolle – oder das Grundstück an einen Investor verkaufe, wisse er noch nicht. Doch der Bedarf bestehe. Und es gebe auch einen potenziellen Betreiber, „der sofort loslegen kann“.
Doch das wird noch dauern. Der bestehende Bebauungsplan müsse verändert werden, hin zu einem „Sondergebiet Altenwohnen“, erläutert Erster Stadtrat Jörg Frank (CDU). Schließlich sei es der Wille der Stadtverordneten, dass dort Altenpflege hinkomme. Im Moment gebe es nur einen Aufstellungsbeschluss. Der Magistrat hat jedoch ein Problem mit dem Antrag. Fischers Anwalt wolle ein Mischgebiet – das gehe über die geplante Nutzung hinaus. Deshalb habe der Magistrat den Hessischen Städte- und Gemeindebund (HSGB) um eine rechtliche Begutachtung gebeten. Wie lange das dauere, sei ungewiss – der HSGB vertrete schließlich 426 Kommunen, so Frank.
Keine weiteren Verhandlungen gibt es für den geplanten Bau eines Altenheims Am Hang am Heilsberg. „Der Verkauf des Grundstücks für eine angedachte Bebauung mit einer Seniorenwohnanlage kann trotz intensiver Bemühungen in diesem Jahr nicht zustande kommen“, teilte Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) bei der Einbringung des Nachtragshaushalts 2011 mit.
Die Vorgeschichte
Auch das Heilsberger Bauvorhaben hat eine Vorgeschichte. Im Juni 2008 hatte das Stadtparlament den Weg für den Bau einer privaten Seniorenwohnanlage auf dem 4400 Quadratmeter großen Areal am vorderen Teil der Straße Am Hang frei gemacht. Hinter der Kurve an der Zigeunerwiese sollten mehrere kleine Einzelhäuser entstehen. 130 Pflegeheimplätze und 30 betreute Wohneinheiten waren geplant.
Die SPD lehnte das Vorhaben wegen der Randlage am Heilsberg ab, die Grünen äußerten ökologische Bedenken. Im August 2009 warf ein Investor das Handtuch, weil die Banken mit der Kreditvergabe zögerten. Auch ein zweiter Interessent sagte ab. „Das ist gescheitert, weil die Stadt bei einem früheren Interessenten nicht rechtzeitig angesprungen ist“, mutmaßt Wolfgang Kunath, Mitglied der Seniorenvertretung. Er beklagt, dass die Stadt sich auf Großprojekte wie Neue Mitte und Hessentag konzentriere – „alles andere interessiert sie nicht“.
Differenzierter betrachtet die SPD-Stadtverordnete Lucia André die Lage. Aus ihrer Erfahrung in der Altenpflege weiß sie: „Die traditionelle Heimpflege ist kein Zukunftsgeschäft mehr.“ Bei bis zu 3000 Euro monatlich für einen Heimplatz und zukünftig nicht mehr so reichen Senioren seien die Kosten ein Problem. „Und unter den jetzigen Umständen kriegen sie kein Personal mehr.“ Trotzdem gebe es auch in Bad Vilbel viele ältere Menschen, „die händeringend auf einen Platz warten“. Die Konsequenz aus weniger Geld und höheren Erwartungen: „Wir brauche mehr Kurzzeitpflege.“ Statt klassischen Heimen seien kleine, flexible Wohneinheiten gefragt – mit drei bis vier Bewohnern und einer Pflegekraft, dazu Angebote für die Palliativpflege.
Der Bedarf wachse künftig, denn Bad Vilbel sei eine junge Stadt – und wenn die Eltern im Alter auch in die Nähe ziehen könnten, sei das hilfreich, findet André. Umso verwunderter ist sie, dass man von dem Dortelweiler Projekt nichts mehr höre.