„Houston, wir haben ein Problem…“ Manchmal nur im Film, aber manchmal eben auch in der Wirklichkeit. „Probleme sind dazu da, gelöst zu werden“ so sagt man. Das stimmt auch grundsätzlich. Aber was ist, wenn es nicht gelingt? Was ist, wenn alle Problemlösungsstrategien versagen, wenn alle Sicherungen nicht greifen?
Manche retten sich in Durchhalteparolen: „Es muss gehen“ oder „Wenn wir wirklich wollen, dann geht es auch“ – okay, manchmal mag das helfen. Aber ein Patentrezept ist das auch nicht. Manchmal geht es eben nicht. Noch so ein starker Wille kann nicht Unmögliches möglich machen.
Während ich diese Gedanken für den Vilbeler Anzeiger schreibe, sind die Folgen des Erdbebens in Japan noch nicht wirklich überschaubar: Über 200 000 Menschen sind obdachlos geworden – und haben noch viel mehr verloren als ein Dach über dem Kopf, die Zahl der Toten weiß noch niemand und auch was wirklich in dem Kernkraftwerk passiert ist oder noch geschehen wird, das ist im Augenblick auch noch nicht bekannt.
Klar aber ist eines – eigentlich nicht neu, aber doch neu in unserem Bewusstsein: Allem Machbarkeitswahn unserer modernen Welt zum Trotz haben wir nicht im Griff, was geschieht. Natürlich haben wir (und die Japaner ebenso) ganz viele Sicherungen gegen Erdbeben, gegen Unglücke, gegen den berüchtigten größten anzunehmenden Unfall. Und doch geschehen immer wieder die nicht vorhergesehenen Eventualitäten und führen uns unsere Begrenztheit vor Augen.
Manche fragen angesichts dessen nach Gott und seiner Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Ich kann das schon verstehen und finde es natürlich auch gut, dass die Frage nach Gott gestellt wird – generell im Alltag unserer Welt und natürlich auch in Krisenmomenten. Und es gibt auch Momente, wo ich diese Frage nach Gott selbst kaum aushalte: Bei Krankheiten, bei nicht selbst verschuldetem Leid, bei viel zu frühem Tod…
Aber in so vielen anderen Momenten des Lebens müsste ich die Frage doch eigentlich an den Menschen richten: Welche Risiken für uns und für andere gehen wir ein – sehenden Auges und mit wachem Verstand? Wir wissen, dass sich die Erdplatten verschieben und dies zu Erdbeben und Tsunamis führt. Wir wissen um die Restrisiken der Kernkraft, die zwar nur selten zu sehr großen Unglücken führen, die dann aber wirklich kaum absehbare Folgen haben können. Wir wissen auch um Gefährdung unseres Weltklimas und so weiter…
Aber nirgendwo langt es, sich an die Leitstelle in Houston zu wenden, um das Problem lösen zu können. Wir Menschen sind selbst verantwortlich für unser Handeln. Wir können unsere selbst gemachten Probleme nicht delegieren – nicht nach Houston und nicht zu Gott. Der aber hat uns Verstand und Freiheit gegeben, verantwortlich zu leben – zu unserem eigenen Wohl, zum Wohl aller Menschen, zum Wohl der ganzen Schöpfung, zum Wohl der nachfolgenden Generationen und nicht zuletzt zu Seinem Lob! Mit diesen nachdenklichen Worten grüße ich Sie zum kommenden Sonntag,
Pfarrer Dr. Klaus Neumeier,
Ev. Christuskirchengemeinde
Bad Vilbel