Unterwegs im Rollstuhl und mit Rollator: Altenpflegeschüler aus dem Main-Kinzig-Kreis haben die Stadt Karben daraufhin unter die Lupe genommen, wie senio- renfreundlich Straßen und Wege sind und wie es um die Infrastruktur bestellt ist.
Karben. „Das sieht nicht gut aus.“ Stephanie Albinger ahnt bereits, dass sie den Rollstuhl, in dem sie an diesem Vormittag sitzt, nur mit Mühe wieder auf den gegenüberliegenden Bordstein hinaufbekommt. „Und jetzt überleg mal, wie viel Kraft du hast im Gegensatz zu einer älteren Frau“, geben ihre Mitschülerinnen zu bedenken.
Die Gruppe junger Leute, die an diesem Vormittag mit Rollstühlen und Rollatoren ausgestattet durch die Karbener Stadtteile zieht, erntet manch erstaunten Blick von Passanten und Anwohnern. Unter dem Motto „Wie seniorengerecht ist Karben?“ hat sich eine Gruppe von Altenpflegeschülern aufgemacht, um Karben daraufhin zu untersuchen.
Die jungen Leute überprüften etwa, ob an Straßen Querungshilfen vorhanden sind, wie lange Grün-Phasen an Fußgängerampeln dauern, wie es mit Möglichkeiten zum Sitzen an Bushaltestellen aussieht und vieles mehr. Ihr Fazit fällt dabei eher durchwachsen aus.
Um den demografischen Herausforderungen gerecht zu werden, hat die Stadt beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) einen Altenhilfeplan in Auftrag gegeben, erklärt Stadt-Sprecher Ekkehart Böing. Die Begehung sei „ein erster Schritt, um Schwachstellen zu erkennen“.
Beim Projekt der Stadtteilbegehung arbeitet die Stadt mit dem ASB und dem Aus- und Fortbildungsinstitut (AFI) aus Rodenbach bei Hanau zusammen. Geleitet wird das Projekt von Klaus Schoenicke. Er ist zugleich Dozent am AFI und Referent für Altenhilfe beim ASB-Landesverband Hessen.
Wegbreite ausmessen
45 Altenpflegeschüler im Alter von 19 bis 45 Jahren sind nach Karben gekommen. Nach einer Einweisung im Rathaus machen sie sich auf den Weg. In mehrere Gruppen eingeteilt, knöpfen sie sich alle sieben Stadtteile vor. Hierzu haben sie Beobachtungsbögen erarbeitet.
„Toll, dass sich die Stadt einer solchen Prüfung stellt“, lobt Schoenicke, der eine der Gruppen begleitet. Solche praxisbezogenen Projekte seien in der Ausbildung zum Altenpfleger beim AFI üblich, sagt Lehrkraft Karin Ickes; sie ist mit ihrer Kollegin Carmen Heeg dabei.
Im Mittelpunkt des Projektes stehen die Bedürfnisse von Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Eine Grundlage für die Beobachtungsbögen ist die DIN-Norm, in der die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum geregelt sei, erläutert Schoenicke. Demnach müsse ein Gehweg 1,20 Meter breit sein.
„Doch nach spätestens 15 bis 20 Metern muss der Weg 1,50 Meter breit werden, damit der Rollstuhlfahrer oder Nutzer eines Rollators auch wenden kann“, erklärt Schoenicke. Der Gehweg vor dem ASB-Altenzentrum „Wohnen und Pflege“ erfülle diese Voraussetzungen, stellt Vanessa Göth fest, nachdem sie dessen Breite mit dem Zollstock nachgemessen hat.
Unterwegs äußern sich zwei Bewohnerinnen des ASB-Hauses zufrieden mit der Infrastruktur vor ihrer Haustür.
Die Bilanz für die Stadt falle aber durchwachsen aus, bilanziert Schoenicke. So seien Busfahrten mit Gehhilfen trotz Niederflurbussen meist nur mit der Hilfe freundlicher Busfahrer möglich gewesen.
Eine unschöne Beobachtung hätten nahezu alle Gruppen in den Stadtteilen gemacht: Die Schüler berichten hier überall von falsch parkenden Autos, „die die Gehwege blockierten“, sagt Schoenicke. Nun müssen die Karbener entscheiden, wofür sie diese Ergebnisse nutzen.