„Alles hat seine Zeit. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ausreißen der Pflanzen“, so schreibt Kohelet (oder: Prediger) in Kapitel 3, einem Buch der Weisheits-Literatur der Bibel.
Wer einen Garten pflegt, weiß darum: Man muss neue Pflanzen zu bestimmten Zeiten setzen, wenn sie anwachsen sollen. Auch das Beschneiden und Entfernen hat eine eigene Zeit. Wer versucht, den Garten nach eigenen zeitlichen Möglichkeiten, nur nach Lust und Laune zu pflegen, würde scheitern.
Darüber hinaus müssen die Gärtnerinnen und Gärtner immer bis zum nächsten Schritt des Wachstums oder Absterbens warten und sich in Geduld üben. Aus diesem Garten-Bild können wir für unser Leben lernen: Für jedes Vorhaben gibt es den richtigen Zeitpunkt, es umzusetzen. Wenn er da ist, gilt es, ihn zu ergreifen und zu nutzen. Anderenfalls gilt es, sich in Geduld zu üben und abzuwarten. Aber manchmal fällt das schwer. Manchmal „brechen wir etwas übers Knie“, und schnelle Entscheidungen greifen im Berufsleben immer stärker um sich – um dann rasch von den nächsten Entscheidungen überrollt zu werden.
Demgegenüber zeigt Kohelet eine andere Sicht aufs Leben. Er erkennt, dass es in seinem Leben unterschiedliche Lebens-Zeiten gab: Manche waren froh, andere schwer. Es gab Situationen, in denen der rechte Augenblick gekommen war und genutzt werden konnte. Wenn dagegen ein Unterfangen zum ungünstigen Zeitpunkt begonnen wurde, war es eigentlich im Voraus zum Scheitern verurteilt. Kohelet ruft uns auf, in der Gegenwart zu leben und die Chance zu nutzen, die jeder Augenblick des Lebens bietet. Eine unerwartete Einladung anzunehmen, auch wenn man etwas anderes geplant hatte. Im Garten zu sitzen, auch wenn ein Kino-Besuch geplant war.
Unser Alltag bietet uns manches Mal mehr Möglichkeiten, als wir auf den ersten Blick sehen. Oft denken wir sehr geradlinig und lassen die Vielfalt außer Acht, die uns in unseren Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten offen steht. Ich möchte einladen, den Blick für diese Vielfalt zu öffnen, gelassen auf den richtigen Augenblick zu warten und dann beherzt zu handeln oder zu entscheiden.
Pfarrerin Dr. Irene Dannemann,
Evang.-Gemeinde Heilsberg