Karben. Noch hat Schulleiter Hans-Jobst Krautheim wenig Zeit daran zu denken, dass er zum Schuljahresende bald seinen Schreibtisch in der Kurt-Schumacher-Schule räumen muss. Der Terminkalender ist eng gestrickt und die Vorbereitungen für das kommende Schuljahr laufen auf Hochtouren. „Ich kann erst dann leichten Herzens gehen, wenn alles geregelt ist“, sagt Krautheim, der für das reibungslose Funktionieren einer 1250 Schüler zählenden Gesamtschule verantwortlich ist.
Doch zumindest die Abschiedsfeiern mit Abiturienten, Haupt- und Realschülern sind vorüber und am heutigen 9. Juli steht nur noch Krautheims eigene Verabschiedung an. Der Oberstudiendirektor und promovierte Geschichtslehrer hat die gesetzlich vorgeschriebene Altersgrenze von 65 Jahren erreicht und darf nicht mehr im Schuldienst bleiben.
Selbst wenn er wollte, wie Krautheim scherzend erklärt und dabei seine Krawattenschleife zurechtrückt. Die Fliege ist sein Markenzeichen geworden. So unaufdringlich und dennoch immer präsent, wie Krautheim es selber zehn Jahre lang in der Schule und in der Stadt Karben war.
Am 1. Februar 2000 hat Krautheim zum ersten Mal offiziell die Schwelle der Schule überschritten, bereit und willens, seine ganze Erfahrung und Energie dem Unternehmen Schule zu widmen. Er kam aus Triberg im Westerwald und hatte dort die Gesamtschule aufgebaut. Doch nach zehn Jahren Fernpendelns – Krautheims Familienwohnsitz war und ist Gießen – wollte er zurück in die Rhein-Main-Region. Seine Wahl fiel auf Karben. „Ich kannte die Stadt aus Studienzeiten und konnte mir gut vorstellen, was für eine Schule Karben braucht.“
Krautheim hatte die Vision einer Gesamtschule vor Augen, eng verbunden mit dem Gemeinwesen: „Alle Kinder lernen unter einem Dach und erleben die Schule als Lebens- und Bildungsraum.“
Haupt- und Realschulzweige waren an der 1965 gegründeten Kurt-Schumacher-Schule schon als eigenständige Bildungsgänge vertreten, doch schmerzhaft wurde die gymnasiale Oberstufe vermisst. Die angehenden Abiturienten mussten auf Schulen in Friedberg, Bad Nauheim oder Bad Vilbel ausweichen.
Zu den vorrangigen Aufgaben von Krautheim gehörte es, das Bildungsangebot zu komplettieren und die gymnasiale Oberstufe auszubauen. Die Früchte dieser Arbeit konnte Krautheim in diesem Jahr ernten. Er verabschiedete 75 Abiturienten. Als Krautheim das erste Abitur an der Kurt-Schumacher-Schule organisierte, waren es 36. „Der Aufwärtstrend ist ungebrochen“, sagt Krautheim und hinterlässt seinem Nachfolger eine breit aufgestellte Oberstufe.
Viel Entwicklungsarbeit hat Krautheim da hineingesteckt, doch die Meriten sieht er genauso bei den Fachkollegen. „Ich schätze ihre Arbeit sehr.“ Er nimmt sich als Schulleiter gerne zurück. „Wer nach der Devise arbeitet ,Ich führe und alle folgen‘, hat schon verloren.“ Nicht von ungefähr kommt der Rückhalt, den Krautheim beim hartnäckigen Werben für die mittlerweile gebaute Aula und eine neue Mensa erfahren konnte – quer durch alle politischen Lager, in der Stadt, auf Kreisebene, beim Förderverein, den Eltern, lokalen Bildungsträgern und Vereinen.
Dabei legt Krautheim in die Waagschale, was die Schule bieten kann: Die Berufsorientierung mit weit verzweigten Kooperationen, den musikalischen Schwerpunkt mit Orchesterklassen, Austauschprogramme mit des Partnerstädten und den Comenius-Schulen.
Forciert hat Krautheim auch den Ausbau des Ganztagsangebotes. Dass die Mensa im Bau ist, freut Krautheim besonders, hat er doch lange darum gekämpft.
Die Schüler schätzen an Krautheim, dass er klar seine Meinung vertritt, bei allem Respekt für die Gedanken anderer. „Wir konnten uns keinen besseren Schulleiter denken. Ihm lag das Wohl der Schule immer am Herzen“, sagt Oberstufensprecher Björn Wolf.
Abschied von der Schule zu nehmen, fällt Krautheim nicht leicht, hat er ihr doch mehr als 20 Jahre, die Zeit in Triberg eingerechnet, seine ganze Arbeitskraft gewidmet. Demnächst wird er als Geschichtsdidaktiker an der Uni Gießen einen Lehrauftrag wahrnehmen.