Erst nach zwölf Jahren rechnet die Stadt Karben die Erschließungskosten fürs Baugebiet Brunnenweg im Stadtzentrum ab. Im Rathaus ist man selbst sauer über diese Verspätung. Für die gibt’s aber Gründe.
Karben. Kaum zu glauben: Zehneinhalb Jahre, nachdem die ersten Einwohner im Baugebiet Brunnenweg in Karbens Stadtzentrum eingezogen sind, macht die Stadt die Endabrechnung für die Erschließung des heutigen Wohngebiets. Mancher Hausbesitzer dürfte ganz unverhofft eine Rechnung für den Straßen-, Kanal- und Leitungsbau im Briefkasten finden.
Doch ins Kopfschütteln darüber stimmt sogar der Bürgermeister ein. „So etwas wird es nicht noch einmal geben“, verspricht Guido Rahn (CDU). Denn die Abrechnung der Erschließungskosten für die Grundstücke entlang der heutigen Luisenthaler und der westlichen Ramonvillestraße ist einer der letzten großen Erbstücke der rot-grünen Vorgängerregierung – die Rahn selbst ja schon vor bald sieben Jahren abgelöst hatte.
Wie aber kann es sein, dass mehr als eine Dekade Zeit verstreicht, bevor die Stadt die Endabrechnung für die Erschließung macht? „Das Baugebiet wurde erst nach und nach fertig gebaut“, erklärt Rahn. „Deshalb kann die Schlussrechnung erst so spät erfolgen.“ Während die Wohnhäuser im nördlichen Teil des Areals recht bald nach der Erschließung vor elf Jahren entstanden, lagen die großen Gewerbegrundstücke zur Bahnhofstraße hin lange brach. Die frühere rot-grüne Regierung hatte hier einen Stadtplatz bauen wollen, den Krnover Platz, samt umliegender Häuser.
Allerdings war ein einzelnes Grundstück an der Ecke Bahnhof- und Luisenthaler Straße frühzeitig verkauft und bebaut worden – immerhin entsprechend der Idee für den Stadtplatz. Für die übrigen Bauten jedoch fanden sich keine Investoren. So blieb der Bau-Solitär lange alleine.
Die Lage änderte sich erst, als Otmar Stein (CDU) als Erster Stadtrat antrat. Der Wirtschaftsförderer lockte einen Investor aus Hanau an, der den heutigen Rewe-Markt samt kleiner Ladenzeile daneben errichtete. Gegenüber bauten die Frankfurter Volksbank eine neue, große Filiale sowie die Gebrüder Kling aus Kloppenheim ein Wohn- und Geschäftshaus. Es wurde im vergangenen Jahr fertig – ebenso wie das Mehrfamilienhaus des Projekts „Wohnen im Alter“. Letzteres war allerdings gegenüber den ursprünglichen Plänen zusätzlich ins Baugebiet gekommen.
Dass die Stadt die Erschließungskosten nun nachträglich auf die Grundstückseigner umlegt, bedeutet vor allem eins: Unsagbar viel Arbeit für die Verwaltung selbst. „Es müssen fast 500 Bescheide erlassen werden“, erklärt Hans-Jürgen Schenk, Leiter der Rathausverwaltung. „Jeder muss natürlich vollkommen korrekt sein und notfalls auch vor Gericht Bestand haben.“ Allein die Übersicht über die Bescheide umfasst laut Bürgermeister Rahn eine 64-seitige Tabelle. „Die Abrechnung war eine 3-Jahres-Aufgabe für einen Mitarbeiter“, stöhnt der Rathauschef. Wirtschaftlich effektiv war das also nicht.
Nur noch Festpreise
Unterm Strich werden gerade einmal 115 000 Euro „zahlungswirksam“, erläutert Rahn. Und das bei Baukosten von satten 1,5 Millionen Euro. „Das meiste zahlt die Stadt an sich selbst.“ Denn sie hat mit der Kita Märchenexpress und darüber liegender Seniorenwohnungen selbst ein großes Grundstück. Außerdem hatte sie dem Arbeiter-Samariter-Bund laut Rahn zugesagt, die Erschließungskosten für das ASB-Altenzentrum zu übernehmen.
Für manche Hausbesitzer, die binnen der zehn Jahre eines der Anwesen von einem Vorbesitzer übernommen hätten, kämen die Rechnungen nun sicher überraschend, räumt der Rathauschef ein. Denn: „Einige müssen ein paar tausend Euro nachzahlen“, kündigt Rahn an. Das betrifft all jene, die beim Grundstückskauf keine Anzahlung für die Erschließung leisteten. Immerhin ist das nur eine Minderheit, weiß Rahn. „Die meisten bekommen etwas zurück, weil sie im Voraus mehr einbezahlt hatten.“
Wie will Rahn einen solchen Abrechnungswahnsinn in Zukunft verhindern? Ganz simpel: „Wir verkaufen nur noch Grundstücke voll erschlossen zum Festpreis.“ Zu dem reinen Quadratmeterpreis addiert die Kommune bereits im Vorgriff die Kosten für die Erschließung mit Kanal, Wasser und Verkehrswegen. „Damit liegt das Risiko bei der Stadt“, räumt der Bürgermeister ein. Was bedeutet, dass die Kommune die Kosten für die Erschließung klug kalkulieren muss. „Aber es ist viel einfacher für uns umzusetzen – und sicherer für die Käufer.“ Auch ein Verkaufsargument.
In allen nach dem Brunnenweg aufgelegten Baugebieten ist die Stadt übrigens bereits so vorgegangen. Außerdem macht die Kommune inzwischen strenge Auflagen zum Bauzeitpunkt. Das erfahren gerade die künftigen Bauherren an der Waldhohl in Groß-Karben, wo ab Herbst die ersten Häuser entstehen sollen. Per Vertrag verpflichten sie sich, dass ihr Haus nach zwei Jahren fertig sein muss. Unter dem Eindruck der Wohnungsknappheit sollen auch Baulücken in Karben der Vergangenheit angehören. (den)