Ich liebe historische Romane aus dem Mittelalter! Der Bau gotischer Kathedralen, die Geschichten der einfachen Menschen, der Adligen, der Kleriker… Interessant finde ich, dass schon damals eine „geistliche Eventkultur“ offensichtlich selbstverständlich zum Glauben gehörte: Die Wallfahrt, die Kirchweih, die besonderen Gottesdienste zum Jahrmarkt – oft verbunden mit eigenen Ablässen. Dann die Prozessionen an Festtagen und natürlich die individuellen Glaubensfeste wie Taufe oder Trauung.
Wenn wir am Samstag in Bad Vilbel eine „Nacht der Kirchen“ feiern, dann ist das so etwas wie ein Event. Das Schöne ist, dass wir diesen über alle Konfessionsgrenzen hinweg gestalten und feiern – so wie mittlerweile auch den Gottesdienst am Pfingstmontag auf dem Niddaplatz. Begegnung und Feiern, das sind für mich zentrale Stichworte dieses Zusammenkommens aller Christengemeinden unserer Stadt. Das bereichert uns alle und macht uns deutlich, dass wir am Ende des Tages (und am Ende aller Tage) zusammen gehören. Ich freue mich auf die „Nacht der Kirchen“!
Für mich unverständlich ist, dass es vereinzelt kritische Töne zu einer angeblich ganz neuen „Eventkultur“ in den christlichen Gemeinden gibt. Neu ist das in keiner Weise und weit und völlig selbstverständlich verbreitet auch heute: Die individuellen Feste wurden durch Konfirmation, Kommunion und Firmung seit dem Mittelalter ausgeweitet. Prozessionen, Gottesdienste zum Vilbeler Markt, der Erntedank, Segnungs- und Weihegottesdienste – das alles gehört ebenso selbstverständlich in unsere Gemeinden und zu unserem Glauben wie der sonntägliche Gottesdienst im Alltag.
Dabei war es auch schon immer so, dass manche Menschen sich von Event zu Event, von Fest zu Fest hangeln – Weihnachten ist ein Teil dieses Verständnis. „Glaube bei Gelegenheit“ nennen das die Religionswissenschaftler. Ja, da kann der Alltagsbezug des gelebten Christseins schon verloren gehen. Tatsächlich kann man sich ja nicht nur von Torte ernähren; sie soll an Festtagen das Graubrot des Alltags ergänzen. Deswegen laden wir an den Events ja auch immer zum Alltagsglauben ein. Aber unterm Strich gilt es trotzdem: Es ist schön, wenn Menschen die Events des Lebens und des Jahreslaufes mit uns als Kirchen, mit ihrem Glauben, mit Gott gestalten. Gott selbst will mittendrin sein in unserem alltäglichen Leben. Er will aber ganz gewiss auch in den besonderen Hoch-Zeiten des Lebens mit uns feiern – und in den Tiefzeiten mit uns weinen. In diesem Sinne gerade auch an die nicht regelmäßigen Gottesdienstbesucher: Sie sind am Samstag herzlich zur Bad Vilbeler Nacht der Kirchen eingeladen.
Ihr Pfr. Dr. Klaus Neumeier,
Ev. Christuskirchengemeinde