Reichlich Verzögerung ist in die Renaturierung der Nidda auf einem etwa 300 Meter langen Teilstück der Nidda am Dottenfelderhof gekommen. Doch am Montag konnte es endlich losgehen.
Bad Vilbel. „Das ist Bau live“, kommentiert Gottfried Lehr am Freitag die aktuelle Situation direkt am Dotti. Denn bis zum Wochenende war noch nicht ganz klar, ob am Montag die Arbeiter der Tief- und Erdbaufirma aus Büdingen loslegen können. Muss der Kampfmittelräumer noch einmal kommen, um die Arbeiten zu verfolgen? „Immerhin war hier im Zweiten Weltkrieg eine Flakstellung“, räumt Lehr ein, der die Bauaufsicht für das neueste Projekt der Nidda-Renaturierung in Bad Vilbel übernommen hat.
Doch das ist nicht alles. Damit die Lastwagen, die in dieser Woche etwa 6000 Kubikmeter Erde abtransportieren sollen, die Nidda überqueren können, wurde dort am Mittwoch eine Behelfsbrücke gesetzt. Dafür musste auf der Seite zum Parkplatz des Vilbeler Marktes der Rad- und Fußweg aufgerissen werden.
Straße hält’s nicht aus
„Das kriegen wir alles hin“, ist Lehr zuversichtlich. Was ihn etwas mehr ärgert, ist, dass die temporäre Brücke mit reichlich Verspätung in Bad Vilbel eintrudelte. Die musste nämlich aus Hamburg hertransportiert werden. „Einige Bundesländer haben sich quergestellt und die Genehmigungen verzögert. Wir haben drei bis vier Wochen gewartet“, ärgert sich Lehr, der deswegen den geplanten Herbsturlaub mit seiner Tochter absagen musste.
Immerhin kann es jetzt ja losgehen. Die Brücke ist 15 Meter lang, 3,5 Meter breit, 14 Tonnen schwer. Sie wurde für zwei Wochen temporär eingebracht. Fahrten der mit Erde beladenen Lastwagen wären über die Zubringerstraße des Dotti aufgrund der hohen Traglast nicht möglich gewesen. Die Reparatur der Straße hätte nach Lehrs Schätzung rund 60 000 Euro gekostet.
Die Brücke hält einer Traglast von 70 Tonnen mühelos stand. „Wir hatten dieses Problem in Niddatal-Assenheim vor fünf Jahren schon einmal. Auch damals hat eine Brücke geholfen“, schildert Lehr.
Dabei wird der bisherige Nidda-Kanal zu einem naturnahen Fluss zurückgebaut. Mit dem Abtransport der Erde, dem Bau der Buchten und der Einsaat der Flächen werden die Arbeiten abgeschlossen sein. Der Abtransport hat am Montag begonnen, musste aber am Dienstag vorübergehend wieder eingestellt werden, weil es nachts geregnet hat und die Fahrzeuge nicht fahren konnten. Aber die Wetterprognosen standen gut, so dass es am Mittwoch (nach Redkationsschluss) weitergehen kann, ist Lehr optimistisch.
In naher Zukunft entstehen so zwischen dem Römerbrunnen und Dottenfelderhof Uferbuchten, Flachzonen, Kiesbänke und sogar eine Insel. Bäume wie Weiden und Erlen können wieder wachsen sowie sich neuer Lebensraum für Eisvögel, Reiher und zahlreiche Fischarten bilden. Der Fluss wird breiter, die bestehenden Wege werden dafür verlegt.
Die Gerty-Strohm-Stiftung ist maßgeblicher Förderer des Projekts. Aber auch Hassia setzt sich an dieser Stelle mit 80 000 Euro ein. Das Geld stammt noch aus dem vergangenen Jahr. Zum 150-jährigen Bestehen des Unternehmens wurden Spenden gesammelt, die eingesammelte Summe verdoppelt. Nicht das erste Mal, dass Hassia an der Nidda tätig wird. „Viele haben vergessen, dass Hassia vor 25 Jahren an der Alten Mühle den Startschuss für die Renaturierung gegeben hat“, dankt Lehr. Er bezeichnet das Engagement Bad Vilbeler Menschen und Unternehmen als „Glücksfall“.
Seitdem ist vieles passiert. „70 Prozent der Fließgewässer in Bad Vilbel haben wieder eine Struktur“, ist Lehr zufrieden. Auch bereits komplizierte Bereiche wie rund um die Neue Mitte mit enger Bebauung zum Fluss. „Auch hier ist es etwas komplizierter“, sagt Lehr zum aktuellen Projekt.
Denn ausgedacht hat er sich eine verzwickte Verschränkung mit einer zum Flussbett gegenläufigen Kurve. Zudem fällt die Brücke für die Lastwagen sehr eng aus. Und nach den Regenfällen in der vergangenen Woche ist das Wasser gestiegen. Steigt es weiter, müsste die Brücke sogar wieder abgebaut werden. „Es soll erst einmal trockener bleiben. Wenn das Wetter zwei Wochen hält, kriegen wir das über die Bühne“, hofft Lehr.
„Das alles kommt aber den Tieren zugute, etwa der Meerforelle und der Barbe.“ Die fühlen sich in den Buchten mit geringerer Fließgeschwindigkeit wohl. Auch die Inseln, die aufgeschüttet werden, tragen zur Artenvielfalt bei. Der Mensch kann sich seinem Fluss über Flachzonen nähern, „das läuft in Gronau ja schon sehr erfolgreich“, sagt Lehr.
Eine Frage von Passanten kann Lehr aber nicht beantworten. Die hätten nämlich gerne anstelle der temporären Brücke einen dauerhaften Steg über die Nidda. Um den Dotti bequem erreichen zu können. „Das ist dann wohl Sache der Stadt“, meint Lehr. (kop)