Die Anwohner am westlichen Ortsrand von Petterweil wollen, dass in ihrer Nachbarschaft keine weiteren Häuser entstehen. Das will auch die Stadt Karben – und möchte genau dies mit ihrer Bauleitplanung festschreiben. Trotzdem sind die Bürger vorsorglich erstmal erbost.
Karben. Selten ist die Stimmung so feindlich, so negativ gewesen bei einer Versammlung von Bürgern in Karben wie an diesem Abend im Albert-Schäfer-Haus in Petterweil. Viele Zwischenrufe gibt es, Vorwürfe, mit lauter Stimme greifen die Menschen den Bürgermeister und seinen Bau-Fachdienstleiter an.
Dabei wollen Guido Rahn und Heiko Heinzel nur etwas recht Simples. Nämlich erklären, wie sich verhindern ließe, dass auf den Wiesen und in den Gärten am westlichen Ortsrand alle möglichen, wilden Nutzungen entstehen. Die Begrenzung der Ortslage sei „diffus“, erläutert Fachmann Heinzel.
In der Folge seien dort Lagerflächen entstanden, würden Feldscheunen inzwischen nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. In als Gärten eingezeichneten Flächen stünden längst Wohnhäuser. Zuletzt sei sogar ein wilder „Bauhof“ entstanden, erinnert Heinzel.
Viel Skepsis
Das Problem: Weil der Regionale Flächennutzungsplan (Reg-FNP) zu grob ist, lässt sich die Bebauungsgrenze nicht exakt nachvollziehen. Früher war das kein Problem: Bis 2010 hatte die Stadt einen eigenen, exakten Flächennutzungsplan, bis dieser in ganz Rhein-Main vom Reg-FNP abgelöst wurde.
Der Verwaltung beschert die Ungenauigkeit Probleme. An die zwei Dutzend Anfragen pro Jahr beschäftigen Heinzel und seine Kollegen allein für den Bereich westlich des Höfer Weges. Sie reichen von Fragen nach Nutzungsmöglichkeiten bis zu Neubauanfragen entlang der Stichstraßen, die ins Feld führen. Oft muss die Stadt Nein sagen. „Wir bitten nun den Ortsbeirat in Ruhe zu überlegen, wie wir die Situation klären können“, erläutert Rahn. „Denn sie ist für Sie als Bürger wie auch für uns ärgerlich.“
Rechtsklarheit schaffen könne ein Bebauungsplan. Den gibt es bisher nur für wenige, kleine Bereiche des Ortes – und auch aller anderen Karbener Stadtteile. „Das soll nicht alles Bauland werden“, erklärt der Bürgermeister. Sondern die Petterweiler sollten eben sagen, welche Nutzung für die einzelnen Areale festgeschrieben werden solle.
Allein die Erwähnung des Wortes Bebauungsplan wirkt wie das Zünden einer Bombe in der negativen Grundstimmung. Es gibt Buh-Rufe, Zwischenrufe, Vorwürfe.
Mit hörbarem Zorn in der Stimme melden sich Bürger zu Wort. So wie Anwohner Frank Wassberg: „Warum soll man überhaupt einen Bebauungsplan aufstellen, den keiner braucht?“ Er warnt davor, dass die Stadt „diese Büchse aufmacht“ – und will von Rahn wissen: „Welche Interessen hat die Stadt?“
Eine Anwohnerin kündigt an, dass sie gegen jede Änderung der Flächennutzung klagen werde. „Es ist Aufgabe der Stadt durchzusetzen, dass nur die erlaubte Nutzung angewendet wird.“ Dass die Bauaufsicht hier nicht tätig werde, geißelt ein anderer Bürger. Der Höfer Weg sei doch eine sehr klare Grenze, findet Nachbarin Ingrid Schick.
Zusammen mit Wassberg gehört sie zu acht Anwohnern, die sich in einer Arbeitsgruppe „Petterweil soll schöner bleiben“ zusammen geschlossen haben. Die Nutzungen seien „nicht diffus“, meint Ingrid Schick. „Warum müssen wir eine solche Diskussion bloß für zwei Scheunen führen?“ Frank Wassberg greift Bauexperten Heinzel direkt an: „Sie reden um den Busch herum: Was wollen sie dort machen?“
Bürgermeister Rahn schüttelt den Kopf. „Ich verstehe die sehr aggressive Stimmung nicht.“ Schließlich wolle die Stadt ja genau im Sinn der Anwohner für Klarheit sorgen. „Wir sind ohne fertige Pläne hier, wollen Ihre Meinung hören.“
Ein Nicht-Bebauungsplan
Wollten die Anwohner keine Klärung, werde die Stadt nicht tätig. Das berge allerdings die Gefahr, dass dann jemand einen Neubau oder eine andere Nutzung gerichtlich durchsetzen könne, warnt der Bürgermeister. Denn ohne Bebauungsplan sei jede Nutzung entsprechend der Nutzung auf den Nachbargrundstücken möglich und ohne Plan fehle jegliche Grenze. „Ich will vermeiden, dass jemand sagt, dass die Stadt nichts gemacht hat.“
Mehr als eine Stunde lang geht es so hin und her: Vorwürfe und Forderungen von Bürgerseite, Erklärungen und Beteuerungen von den Offiziellen. Erst ganz langsam verstehen immer mehr der Anwohner: Was der Bürgermeister als Bebauungsplan bezeichnet, soll faktisch als Nicht-Bebauungsplan wirken. „Ein Bebauungsplan ist nicht dazu da, dass dort gebaut werden kann“, erklärt Rahn. „Wenn er vorschreibt, dass dort eine Grünfläche ist, ist dort eine Grünfläche.“
Anwohnerin Claudia Hartmann bringt es auf den Punkt: „Ihre Idee, es klar zu regeln, ist gut“, attestiert sie dem Bürgermeister. „Wenn einer durchklagt, haben wir das Theater.“ Deshalb sei wohl allgemeine Meinung: „Es soll so bleiben, wie es ist, das gibt Rechtssicherheit für alle“, sagt Claudia Hartmann. Fast alle im Saal bestätigen das mit lautem Applaus. (den)