Maria Ochs ist eine kulturelle Institution in Bad Vilbel. 20 Jahre lang organisierte sie die Bad Vilbeler Kleinkunst in der Alten Mühle. Ausgerechnet vor dem 25-jährigen Bestehen des Hauses im kommenden Jahr geht sie nun. Nicht leichten Herzens, doch ihr Herz war es, das ihr den Wechsel befahl.
Bad Vilbel. „Manchmal bekomme ich fast das Heulen“: Leicht fällt Maria Ochs der Abschied von Bad Vilbel nicht, auch wenn sie sich über die neue Herausforderung freut. Zum Jahreswechsel wechselt die kulturelle Triebfeder der Alten Mühle nach Pforzheim. In ihrer alten Heimat leitet sie dann das Kulturhaus Osterfeld. Eine große Chance, schließlich hat sie sich gegen 42 Bewerber durchgesetzt.
Die Leitung in Pforzheim wird bis Ende des Jahres kommissarisch von den Stellvertretern übernommen. Diese Zeit ist nötig, um das so gut bestellte Feld in Bad Vilbel auch blühend an den Nachfolger zu übergeben. Der steht noch nicht fest.
Der Nachfolger jedenfalls kann sich freuen. Denn es sind nicht wenige Künstler, die Maria Ochs als vielversprechende Talente auf die Bühne geholt hat. Und die nun – obwohl sie längst größere Säle füllen – gerne wiederkommen. Wegen ihr. Denn sie beherrscht das Talent, dass sich Künstler – oft keine einfachen Charaktere – wohlfühlen.
Ein schönes Zimmer, ein gutes Essen, aber vor allem jemand, der nach dem Auftritt da ist, dem Künstler wahrhaftige Gesellschaft leistet. „So viel ist es nicht“, sagt Maria Ochs über die weichen Faktoren, die einen Künstler gerne oder eben ungerne in eine Stadt kommen lassen. „Es gibt auch Diven“, räumt Ochs ein. Doch die meisten Künstler verlangten gar nicht viel. „Man hat in diesem Beruf immer mit Reisenden zu tun und ist Gastgeber von Menschen, die vorbeikommen und die sich manchmal ganz schön einsam fühlen“, bringt die 51-Jährige ihre Mission auf den Punkt.
Maria Ochs will ihnen etwas von der Stadt und deren Flair vermitteln. „Bei Künstlern wie etwa Anastacia ist das anders“, sagt sie. Luxus-Suite, opulentes Essen, Limousinen-Service. „Da ist es fast egal, ob man gerade in Frankfurt oder New York ist“, sagt sie.
Na gut, Anastacia wird nun nicht gerade in die Alte Mühle mit einem Fassungsvermögen von durchschnittlich 180 Gästen kommen. Und auch das Kulturforum in Dortelweil, wohin Maria Ochs bei größeren Künstlern ausweicht, dürfte für sie zu klein sein.
Doch es sind viele auf ihrer Liste, die es durchaus zu Ruhm gebracht haben: Die Band Fools Garden sowieso, schließlich kennt Maria Ochs Sänger Peter Freudenthaler schon seit gemeinsamen Kindertagen aus ihrem Heimatdorf Neuhausen, rund 5000 Einwohner, zwölf Kilometer von Pforzheim entfernt.
Ausflüge in Projekte
Doch auch die Senkrechtstarter Simon und Jan hatte sie bei sich, als die beiden Künstler noch kaum bekannt waren. Thomas Pigor, Jochen Malmsheimer, der verstorbene Matthias Beltz und im vergangenen Jahr auch der irische Liedermacher Kieran Goss waren hier. „Das war ein sehr schönes Konzert“, erinnert sich Ochs an den kleinen Sänger mit großer Stimme, der auf der Bühne jeden an seiner unendlichen Liebe zu seiner Frau Annie Kinsella teilhaben ließ. Doch einen eindeutigen Favoriten der vergangenen 20 Jahre kann Maria Ochs nicht benennen. „Da gibt es soviel“, sagt sie.
So hat sie etwa auch eine Darbietung der Kindertheater-Reihe „Starke Stücke!“ aus den Socken gehauen. Aber auch die bereits genannten Künstler rangieren in ihrer persönlichen Hitliste weit oben. Oder Ausflüge in ganz andere Projekte. So war Ochs an der Ausstellung „Legalisierter Raub – der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 – 1945“ beteiligt. „Das war sehr interessant, ich konnte Menschen aus einem ganz anderen Bereich der Kultur kennenlernen.“
Maria Ochs hat die Alte Mühle zu einem kulturellen Aushängeschild gemacht. Doch der Anfang war dabei alles andere als mustergültig. Ochs erinnert sich an einen Auftritt der Gruppe U-Bahn-Kontrollöre in tiefgefrorenen Frauenkleidern. „Damals konnte man Karten nur über einen Anrufbeantworter bestellen“, erinnert sich Ochs. Und sie vergaß prompt, jenen täglich abzuhören. Als sie es dann tat, waren 400 Bestellungen drauf. Maria Ochs machte aus der Not eine Tugend, öffnete die Zwischentüren vom Saal zum Foyer, so dass alle Besteller auch reinkamen. „Viele mussten stehen, aber irgendwie ging es“, sagt sie lachend.
Es gibt natürlich auch einige Künstler, zu denen sie privat nicht gegangen wäre, gibt sie zu – Geschmackssache eben. Doch wolle sie schon für jeden etwas anbieten. „Meinen persönlichen Geschmack spürt man aber schon“, sagt Ochs. Denn gerne verpflichtet sie etwa Leute, die in „Neues aus der Anstalt“, heute kurz „Die Anstalt“, im ZDF auftreten. Oder Künstler, die sie bei einer Festival-Sendung auf 3sat gesehen hat.
Wiedersehen 2016
„Die Mischung macht es aber“, ist sie überzeugt. Dazu gehören lokale Schwerpunkte wie eben Maddin Schneider, Bodo Bach und Badesalz genauso wie eine Auswahl aus dem bundesweiten Angebot an Künstlern, bisweilen, wie bei Kieran Goss, auch über Ländergrenzen hinweg. „Das Schöne an Musikern ist ja, dass Sprache hier weniger eine Rolle spielt“, erklärt sie die gelegentlichen Engagements fremdsprachiger Künstler. Bad Vilbel werde sie definitiv vermissen, nicht nur, weil sie mit Hund Frida ruckzuck von ihrem Büro an der Nidda ist. „Die Stadt hat viel Lebensqualität und steckt auch viel in die Kultur, das zieht Menschen an. Woanders werden Häuser geschlossen, und hier eröffnen wir eine prächtige Bibliothek“, freut sie sich über das städtische Engagement. Und ergänzt: „Vergleicht man die Städte rund um Frankfurt, dann ist in Bad Vilbel schon ganz schön was los.“
Trotzdem merke auch der Fachbereich Kultur unter der Leitung von Claus-Günther Kunzmann gewisse Sparzwänge. „Alle müssen sparen, bei uns gab es kleine Einschnitte im Jazz-Bereich. Aber insgesamt haben wir unser Programm bei gleicher Qualität halten können“, sagt Maria Ochs.
Mit ihren 51 Jahren habe sie sich aber überlegt, ob sie bis zur Rente in Bad Vilbel bleibe oder doch noch einmal etwas Neues ausprobiere. Und die freigewordene Stelle im Pforzheimer Kulturhaus, einem der großen regionalen soziokulturellen Zentren mit drei Sälen von 100 bis 500 Stühlen und zwölf festen Mitarbeitern, kann man da wohl getrost als Wink des Schicksals begreifen.
Ihr dortiger Vorgänger, Gerhard Baral, war 21 Jahre lang Leiter des Kulturhauses, hatte es aufgebaut, wurde für ein großes Festival 2017 freigeschaufelt. Jetzt startet Maria Ochs eben dort noch einmal durch.
„Ich freue mich darauf, wieder in der Nähe meiner Mutter, Tanten und Onkel und Geschwister sowie der 14 Nichten und Neffen zu sein“, sagt sie. Doch verloren geht sie der Region nicht. Ihr Lebenspartner wohnt in Frankfurt, bleibt auch dort. „Ich bin früher öfter nach Pforzheim gefahren, jetzt läuft der Spagat eben andersherum“, sagt sie schmunzelnd.
Doch ganz sicher wird sie im kommenden Jahr in Bad Vilbel zu sehen sein. Dann nämlich feiert die Alte Mühle ihr 25-jähriges Bestehen mit einem Programm das ganze Jahr hindurch.
Persönlich wünschen würde Maria Ochs sich einen Bunten Abend mit den Auftritts-Höhepunkten der vergangenen Jahre. Doch auf jeden Fall dabei sein wird sie bei der Akademischen Feier im April.
Und es gibt einen weiteren Anreiz, Bad Vilbel öfters wiederzusehen. „Ich habe dringend darum gebeten, nicht von der Gästeliste bei den Premieren der Burgfestspiele gestrichen zu werden.“ Na dann, Adieu, und auf Wiedersehen!