Nach den Gegnern üben nun auch die Befürworter den Schulterschluss: Fahrgäste, öffentliche Hand, RMV und Bahn wollen gemeinsam für den Ausbau der S-Bahn S6 in die Wetterau werben.
Bad Vilbel / Karben / Wetterau. Für Landrat Joachim Arnold (SPD) gibt es keine Alternative zum viergleisigen Ausbau der Bahnstrecke von Frankfurt bis Friedberg. „Die Prognosen für die nächsten zehn bis 15 Jahre sagen der Wetterau und den nach Norden anschließenden Regionen ein deutliches Wachstum an Bevölkerung von über zehn Prozent voraus.“
So werde auch der Verkehr anwachsen, warnt Arnold. Doch das Straßennetz sei schon überlastet. Weitere Umgehungsstraßen reichten nicht aus. So gebe es zur Weiterentwicklung des öffentlichen Nahverkehrs keine Alternative.
Arnold steht „ohne Wenn und Aber“ hinter dem Ausbau der S-Bahn S6. Deshalb sei im aktuellen Kreishaushalt bereits ein Anteil von 7,8 Millionen Euro für den ersten Bauabschnitt zwischen Frankfurt und Bad Vilbel vorgesehen.
Auch wenn die Gegner des Ausbauprojekts vom Frankfurter Aktionsbündnis „Bahnane“ immer wieder öffentlichkeitswirksam auftreten, stehen alle Städte und Gemeinden entlang der Strecke hinter dem Ausbauprojekt. Das gilt auch fürs Land. Es finanziert den Ausbau.
Die S 6 soll künftig auf eigenen Gleisen rollen, damit zuverlässiger unterwegs sein. Der Rütteltakt und die häufigen Verspätungen sollen Geschichte sein. Zwischen Groß-Karben und Friedberg soll die S6 in der Hauptverkehrszeit alle 15 statt bisher alle 30 Minuten fahren.
Schutz der Anwohner
Die Gegner des Ausbaus haben sich bereits zusammengetan, nun machen das auch die Befürworter: Kommunen, Kreis, Land, Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV), Bahn und die Fahrgastverbände Pro Bahn und Pro Bahn & Bus. Sie haben sich bei einer Konferenz in Friedberg dieser Tage darüber ausgetauscht, wie sie für den Ausbau werben können. Ein Vorschlag der Wetterauer Grünen hatte das Treffen ausgelöst.
Die positiven Seiten des Ausbaus würden in der Öffentlichkeit zu wenig dargestellt, erklärt Karl-Heinz Schneider, Vorsitzender des für den Nahverkehr zuständigen Zweckverbandes ZOV. Lösungen soll eine Arbeitsgruppe finden.
„Uns ist bewusst, dass der Ausbau für Anlieger eine Reihe von Einschränkungen wie Lärm, Staub und Umwege mit sich bringen wird“, sagt der Bahn-Konzernbevollmächtigte für Hessen, Klaus Vornhusen. Er verspricht „spezielle Lärmschutzwände in den bewohnten Gebieten, die für deutlich mehr Ruhe und bessere Wohnqualität sorgen“. Die Bahn plant und baut im Auftrag des Landes.
Auf dem ersten Bauabschnitt im Süden sollen bereits im nächsten Jahr die Bagger anrollen. Von Frankfurt-West bis Bad Vilbel besteht Baurecht. Der Bund muss aber noch die Gelder freigeben: Er zahlt 60 Prozent der Kosten von 313 Millionen Euro, das Land 27,5 und die Kommunen 12,5 Prozent.
Das Okay des Bundes gilt als reine Formsache und wird für den Sommer erwartet. Die Bauarbeiten sollen im Herbst europaweit ausgeschrieben werden, kündigt der Projektbevollmächtigte der Bahn, Gerd-Dietrich Bolte, an. Die Vorbereitungen liefen auf vollen Touren. Mit dem Okay des Bundes steht eine zentrale Behauptung der Ausbaugegner auf dem Prüfstand. Sie gehen davon aus, dass die Kosten im Vergleich zum Nutzen zu hoch sind. Das kalkuliert der Bund nun nochmals nach. Land und Bahn sind sich sicher, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt.
Es gebe auch keine Alternative zum Ausbau. „Schon jetzt kommt es immer wieder zu Staus oder zu Verzögerungen auf der Strecke, weil die Main-Weser Bahn längst an ihre Kapazitätsgrenzen gekommen ist“, argumentiert der Bahnvertreter Vornhusen. Und andere Ausbauvorhaben hingen am S6-Ausbau, erinnert RMV-Geschäftsführer André Kavai.
Einziger Ausweg
Beispielsweise sei der Ausbau der Niddertalbahn Bad Vilbel–Stockheim samt Elektrifizierung erst möglich, wenn es auf der Hauptstrecke nach Frankfurt mehr Kapazität gebe. Der Ausbau des Straßennetzes sei auch hier nicht möglich, der Bahn-Ausbau der einzige Ausweg. „Hier geht auch um die Erschließung der Region nördlich von Frankfurt“, betont Bernhard Maßberg, Abteilungsleiter aus Hessens Wirtschaftsministerium. Daher soll die Werbung für das Vorhaben besonders auf Bad Vilbel, Karben, Wöllstadt und Friedberg zielen.
Für den zweiten Bauabschnitt dort läuft derzeit das Genehmigungsverfahren. Gegen die überarbeitete Fassung der Baupläne gibt es 170 Einwendungen von Betroffenen. Plus mehr als 1000 Protestunterschriften, die die Gegner von „Bahnane“ gesammelt hatten. Bevor 2022 die S6-Bahnen auf dem Südteil der Strecke rollen, dürfte demnach wohl kaum ein Bagger auf dem Nordteil der Ausbautrasse seine Arbeit aufnehmen. (jwn/fnp)