Mit einem großen Andrang hatten die Gastgeber schon im Vorfeld gerechnet. Der Saal voll besetzt. Auf dem Podium: Sozialdezernentin Heike Freund-Hahn, Kreisbeigeordneter Helmut Betschel, Flüchtlingskoordinatorin Susanne Förster, Stadtverordnetenvorsteher Herbert Anders, Bürgermeister Thomas Stöhr, Landesbeauftragter Stefan Sydow und die Vorsitzende des Flüchtlingshilfevereins, Angelika Ungerer. Sie erlebten während der rund dreieinhalb Stunden Dauer viel Zuspruch und nur wenig Kritik.
Bad Vilbel. Es begann beschaulich im Dezember 2013 mit den ersten 18 Flüchtlingen, die nach Bad Vilbel zugeteilt wurden. Doch was knapp zwei Jahre später folgen sollte, hätte keiner der Redner auf dem Podium erwartet. Der Zustrom stellt Land, Kreise und Kommunen auf eine ganz harte Bewährungsprobe. Bad Vilbel arbeitet daher mit einem Plan A und einem Notfallplan B, wie Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU) ausführte.
Für seine sachliche, ruhige Argumentation erhält der Rathauschef ebenso Applaus wie die anderen Podiumsteilnehmer, die den Bürgern an diesem Abend Rede und Antwort stehen.
Die städtische Flüchtlingskoordinatorin Susanne Förster etwa appelliert daran, sich der aktuellen Lage gegenüber nicht fremd und ängstlich zu verhalten, „denn das geht den anderen genauso“, gibt sie zu bedenken. Sie hat wie alle auf dem Podium eine Fülle an Informationen parat. So vergesse man angesichts der Flüchtlinge keine andere Menschen in Not. Auch sie würden weiter unterstützt. Ehrenamtliche Helfer und Paten für die Flüchtlinge benötige man mehr denn je, derzeit gebe es 80 in Bad Vilbel. Angesichts der Masse an Flüchtlingen müssten auch unpopuläre Entscheidungen getroffen werden, räumt sie ein, doch das sei allemal besser, als in Schockstarre zu verharren. „Jeden Tag gibt es Sprachkurse, unterstützt von Stiftungen und Schülern des Büchner-Gymnasiums.“ Auch Kinderbetreuung, Musik- und Sportangebote seien entstanden.
Stöhr nimmt den Ball auf, geht auf die aktuellen Unterbringungen im Stadtgebiet ein. Geplant seien noch Unterkünfte für weitere 350 Personen. Andere Investitionen müssten durch die damit verbundenen Millionenausgaben nicht zurückgestellt werden, ein Sonderprogramm und Verkäufe der Stadt sicherten die Ausgaben. Die Unterbringung der Menschen sei das wichtigste Gebot der Stunde. Trotzdem macht Dr. Stöhr klar, dass auch er gewisse Höchstgrenzen sehe und die Zuwanderung reduziert werden müsse.
Die meisten kritischen Fragen der Bürger drehen sich nicht um die Unterbringung der 54 Flüchtlinge im Georg-Muth-Bürgerhaus, sondern um ein befürchtetes „Ghetto“, das rund um das Schulzentrum entstehe. Am Niddasportfeld werden Container aufgestellt, in der Homburger und Rodheimer Straße gibt es größere Wohnblocks für Flüchtlinge, hier kommen Micro-Apartments hinzu. Und auch die frühere Geschäftsstelle des Hessischen Turnerverbandes in der Huizener Straße dient als Flüchtlingsunterkunft.
Stöhr macht klar, dass die Stadt alle Möglichkeiten ausschöpfe, dazu gehörten auch das frühere Rathaus mit dem Nachbargebäude sowie das Kurmittelhaus. Doch rund ums Schulzentrum seien die meisten Möglichkeiten gegeben.
Trotzdem äußern manche Bürger Sorge um ihre Kinder, um die Sicherheit im Allgemeinen. Doch solche Bedenken entkräftet Bad Vilbels Polizeichef, Jürgen Werner. Bad Vilbel sei bis auf wenige Ausnahmen von Gewaltverbrechen verschont, im Zusammenhang mit Flüchtlingen gebe es überhaupt gar keine Signifikanz bei den Straftaten auszumachen.
Einen ganz persönlichen Einblick in die Arbeit mit Flüchtlingen gewährt schließlich Angelika Ungerer, Vorsitzende des Flüchtlingshilfevereins, der sich im November gegründet hat. Sie stellt Schicksale vor. Sie lobt die Hilfe, die im Stadtteil entstanden ist. „Anfangs waren die Menschen skeptisch, auch, weil der Kindergarten direkt nebenan ist.“ Doch inzwischen kämen täglich Menschen vorbei, laden zum Joggen oder Nordic-Walking ein, bringen auch mal Kuchen und Kaffee mit, um mit den Betroffenen zu plauschen. „So funktioniert Integration!“, betont sie.
Zuletzt betritt noch ein Flüchtling die Bühne. Yassem verliest eine von allen Bewohnern des Georg-Muth-Hauses unterschriebene Erklärung. Darin verurteilen sie die Geschehnisse der Neujahrsnacht in Köln und an anderen Orten Deutschlands. „Dieses Verbrechen entspricht nicht unseren Werten“, sagt der Moslem Yassem – erst auf Deutsch, dann auf Arabisch.