Am Sonntag ist es wieder so weit: Viele Tausend Läuferinnen und Läufer machen sich auf den langen Weg von 42,2 km durch die Frankfurter Straßen. Dieses Mal werde ich am Straßenrand stehen, im vergangenen Jahr war ich mit dabei durch die Frankfurter Innenstadt und dann auf den großen Weg nach Niederrad und Höchst. Es ist ein ganz anderer Blick auf die bekannten Häuser, Straßen und Plätze Frankfurts.
Das ist ein echter Perspektivwechsel: Ich bin nicht mit Auto und Anzug, sondern zu Fuß und mit Sportkleidung unterwegs, es ist die neue Entdeckung der Langsamkeit (obwohl man dieses Gefühl beim Laufen durchaus nicht hat!): Ohne alle Termine einfach einige Stunden laufen… Und dann ist so ein Wechsel der Fortbewegungsmittel für uns Autofahrer oder Vielflieger ohne Zweifel ein echter Gesundheitsanreger. Immerhin läut man da ja nicht nur diesen einen Marathon, sondern viele Wochen und Monate vorher bereits ungezählte Trainingskilometer. Ganz sicher ist das alles auch ein echter Wohlfühlkick: regelmäßiger Sport in der freien Natur, meditatives Laufen – selbst wenn mit Musik oder Hörbuch im Ohr, Zeit ohne Termine nur für mich alleine… Vielleicht laufe ich aber auch ab und an in kleiner Gruppe und dann in einem Tempo, bei dem man sich auch noch gut unterhalten kann (ist sowieso das bessere Trainingstempo!).
Aber das mit dem Wohlfühlen hat zumindest beim Marathon selbst seine Grenzen: Irgendwo zwischen Kilometer 25 und 35 erwischt es jeden: Der Akku ist leer, nichts scheint mehr zu gehen. Jetzt heißt es, auszuhalten und durchzustehen, vielleicht einen Schritt langsamer zu machen, aber das Ziel fest im Auge zu behalten: 42,2 km! – Wären wir doch nur im richtigen Leben so ausdauernd und geduldig, so willensstark und krisenfest. Da kann jeder Marathonlauf zur Schule des Lebens werden, denn all diese Eigenschaften fehlen uns so oft in unseren Beziehungen, im Umgang mit unseren Kindern oder Eltern, im Beruf und sogar in der Freizeit. Gott hat uns Menschen überreich gesegnet mit Geduld und Liebe, Hoffnung und Stärke; leben wir sie doch in der ganzen Fülle – beim Laufen auf den Straßen und im Lauf unseres Lebens.
Mit sportlichen Grüßen,
Ihr Pfarrer Klaus Neumeier Ev. Christuskirche Bad Vilbel