Die Bühne im Theaterkeller der Burg sah aus wie nach einer Schlacht. Auf dem Boden verstreut lag ein Sammelsurium aus Eierschalen, Bücherseiten, Gemüse, Obst, Eisstielen, Papier, Senftütchen, Straßenkarten, Kleidung, Schläuchen und diversen anderen Dingen. Angerichtet haben das Chaos bei der Premiere des Schauspiels Tschick die Darsteller Tim Werths (Tschick) und Felix Bold (Maik).
Bad Vilbel. Das Duo riss mit seinem rasanten Tempo und seiner ungebremsten Spielfreude das vom Teenager bis zum Senior reichende Publikum von Anfang an mit. Die beiden Schauspielstudenten im vierten Semester an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt mussten sich auf der minimalistisch nur mit einer Leinwand, einem Plattenspieler und einigen schwarzen Hockern ausgestatteten Bühne alles erspielen. Begleitet vom Sound eingängiger Hits erzählten sie im teils derben Duktus Jugendlicher mit Temperament die turbulente Geschichte eines langen, heißen Sommers, die im Osten der Republik spielt.
Die Aufführung im Theaterkeller basierte auf dem 2010 erschienen Bestsellerroman „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf. Ulrich Cyran lässt die beiden angehenden Schauspieler in seinem Regiedebüt, der über 75 Minuten gehenden Bühnenfassung von Robert Koall, alle Rollen, auch die der Nebendarsteller, von Maiks Eltern über Klassenkameraden und Lehrer bis zu ihrer Mülldeponiebekanntschaft Isa spielen. Anders als im Roman wird die Geschichte der beiden Außenseiter auf der Bühne linear erzählt. Tschick heißt mit bürgerlichem Namen Andrej Tschichatschow. Er ist ein Russlanddeutscher aus Berlin-Marzahn, neu in Maiks Klasse. Er hat ein Alkoholproblem, ein Strafregister und eine große internationale Verwandtschaft. Er ist wild, abenteuerlustig und charmant. Das Leben von Maik Klingenberg spielt sich zwischen Swimmingpool und Playstation ab. Er schwärmt für die schöne Klassen-Queen Tatjana und liebt seine Mutter, die ihre Alkoholprobleme in Beauty Farmen in den Griff zu bekommen versucht, während ihr Ehemann mit seiner Assistentin auf angeblicher Geschäftsreise ist.
Tschick erlöst den sich von seinen beschäftigten Eltern selbst überlassenen Maik aus der drohenden sechswöchigen Sommerferienlangeweile. „Willst du nicht mal was erleben?“, fragt Tschick, der in einem gestohlenen blauen Lada bei Maik vorgefahren ist. Aus einer Runde um den Block wird eine Reise durch den wilden Osten.
Tschick trägt ein leicht schmuddeliges, weißes Feinripp-Achsel-Shirt, schwarze Weste, braune Tweed-Hose mit Trägern und einen grünen Hut. Maik ist mit blauer Jeans, braunen Cardigan und hellem Hemd bekleidet. Zwar erreichen die beiden Heranwachsenden ihr Ziel, die Walachei, wo sie Tschicks Opa besuchen wollen, nicht, doch dafür nehmen die beiden pubertierenden Vierzehnjährigen ihr Publikum mit auf eine besondere Reise.
Auf dieser Tour gelingt es ihnen, das Riskante und das Abenteuerliche einer Autoreise ebenso zu schildern wie die Faszination der Freiheit, die mit dem Auto verbunden sein kann. Für das Duo ist sein aus zwei Notenständern und etlichen Requisiten auf offener Bühne zusammengebautes Gefährt nicht nur Mittel zur Flucht aus der bürgerlichen Enge und Langeweile. Es verwandelt sich auf der Autobahn in Form eines Tiertransporters in einen Sarg für Schweine oder gar in eine ihr Leben bedrohende Waffe.
Wie, das schildert der Autor von Tschick in seiner furiosen Erzählung, die zugleich eine über das Erzählen von Geschichten und das Finden eines Freundes ist, in Gestalt von Tim Werths und Felix Bold. Mit der kurzweiligen Bühnenfassung des Roadmovies eroberten sie das Publikum im Sturm.
Nächste Aufführungen (alle im Theaterkeller der Burg): Montag, 29. Juni, 10.30 Uhr; Mittwoch, 1. Juli, 10.30 Uhr; Freitag, 3. Juli, 23 Uhr; Samstag, 4. Juli, 23 Uhr; Mttwoch, 8. Juli, 10.30 Uhr.